Israel: Sieg der Kadima, aber Vorteile für die religiöse Rechte

Während sich Livni und Netanjahu als Sieger geben, ist Lieberman der Königsmacher

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Nachdem 100 Prozent der abgebenen Stimmen ausgezählt wurden, bleibt es bei einem Beinahe-Patt als Ergebnis der israelischen Parlamentswahlen: Zwar ist die Kadima mit Spitzenkandidatin Zipi Livni mit 28 Sitzen in der Knesset stärkste Fraktion, doch hat die konservative Likud unter Führung von Netanjahu nur einen weniger: 27 Sitze. Die drittstärkste Fraktion stellt Israel Beitenu, die Partei des Ultranationalisten Avigdor Lieberman (siehe Wahlkampf gegen Araber), mit 15 Sitzen. An vierter Stelle liegt die Arbeitspartei von Verteidigungsminister Ehud Barak (13 Sitze). Ihr folgt die religiöse Shas-Partei mit 11 Sitzen.

Die linke Meretz-Partei gewann 3 und die Hadash gewann 4 Sitze. Doch kommt die orthodoxe United Torah Judaism auf 5 Sitze und die rechtsgerichteten Parteien Jewish Home und National Home erzielten insgesamt 7 Sitze. Die arabische Partei, Balad, kommt auf 3 Sitze und die United Arab List Ta'al auf 4 Sitze. Die Regierungsbildung wird nicht einfach.

Zwar darf sich Livni als Wahlsiegerin fühlen, da sie immerhin den in den Umfragen bis zuletzt führenden Likud-Block Netanjahus geschlagen hat. Aber sie bräuchte Lieberman, um eine Regierung zu formen. So hat Livni den Zweikampf gegen Netanjahu gewonnen, dessen Stellung dadurch ein wenig beschädigt sein dürfte, ob sie aber Regierungschefin wird, ist fraglich und hängt völlig davon ab, welche Koalitionsvereinbarungen gelingen. Kurzzeitig kursierte sogar der Vorschlag eines "rotierenden Ministerpräsidenten", eine abwechselnde Amtsführung, wie sie zwischen Jitzhak Shamir and Shimon Peres 1984 praktiziert wurde, das lehnten beide großen Parteien inzwischen jedoch ab.

Beide, sowohl Livni wie Netanjahu können nun von Shimon Peres erwarten, den Auftrag zur Bildung einer Regierung zu erhalten. Livni, weil sie der stärksten Fraktion vorsteht, und Netanjahu mit dem Hinweis auf die Führungsrolle des Likud im "nationalen Lager", dem Block rechtsgerichteter und orthodoxer Parteien, die bei dieser Wahl zugelegt haben. Die Chancen Netanjahus, mit diesen Parteien eine Koalition zu bilden, sehen nicht schlecht aus.