Julian Assange erhält eine Art Talkshow

Ein russischer Sender will mit dem WikiLeaks-Gründer die "Welt von Morgen" ergründen und eine "globale Diskussion" initiieren

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Um den WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist es ruhiger geworden. Noch immer befindet er sich im Hausarrest in Großbritannien, nachdem er es erreicht hat, sich direkt an das Oberste Gericht wenden zu können, um seine angeordnete Auslieferung an Schweden zu verhindern. Im Februar wird das Gericht über den Fall entscheiden, wobei es nur um die Verfahrensfrage geht, ob die schwedische Staatsanwaltschaft rechtmäßig die Auslieferung über einen europäischen Haftbefehl fordern kann, nicht um den Tatvorwurf.

Assange macht eine schwere Zeit durch. WikiLeaks kommt nicht mehr in die Gänge, es fehlt auch das Geld, die Biografie ist in die Hose gegangen. Immerhin hat Assange, der zwar gerne mit Massenmedien kooperiert hat, um für WikiLeaks einen Coup zu landen und für Aufmerksamkeit zu sorgen, aber in seiner Plattform doch auch eine Alternative sah, jetzt einen Deal mit dem russischen Sender RT erzielen können.

Zehnmal wird er dort als Showmaster in einer Talkshow mit dem anspruchsvollen Titel "Die Welt von Morgen" auftreten und solche "Ikonoklasten, Visionäre und Macht-Insider" interviewen, mit denen er sich wirklich identifizieren kann, ist er doch selbst eine "ziemlich umstrittene Person", wie der Fernsehsender anpreist. An anderer Stelle wird von "Politikern und Revolutionären" gesprochen. Noch wird nichts verraten, abgesehen davon, dass Assange mit seinen Gästen über die "Tagesthemen" sprechen will, "die die Welt von Morgen formen werden". Aufgenommen werden die 26-minütigen Senden in Großbritannien, die erste Sendung soll vor der ersten Verhandlung vor dem Obersten Gericht beginnen, die am 1. Februar stattfindet.

Assange bezieht sich auf WikiLeaks auf die arabischen Revolutionen und den nicht näher beschriebenen " Bankrott führender Institutionen und Ideologien" im Westen. Das erfordere "radikales Denken", das Assange gepachtet hat, der sich offenbar als einer der "weltweit anerkanntesten revolutionären Personen" vorstellt oder dies womöglich auch selbst glaubt. Er will mit seinen Gesprächen, die natürlich in einem "neuen Stil" geführt werden, eine "globale Diskussion" entstehen lassen, schließlich geht er wohl doch ein wenig größenwahnsinnig im Verein mit dem Sender davon aus, dass seine Sendungen von 600 Millionen Menschen angeschaut werden.

Dass Assange zu einem russischen Sender geht, hat sicher auch Symbolcharakter. Schließlich hat WikiLeaks vor allem Geheimdokumente der US-Regierung und des Pentagon veröffentlicht, zudem kühlt sich das Verhältnis zwischen Russland und den USA ab. RT wird von der staatlichen nachrichtenagentur Ria Novosti betrieben und hat eine entsprechende Sicht der Dinge. Bei RT arbeiten einige britische Journalisten, der Sender strahlt auch Programme in spanischer und arabischer Sprache aus. Assange wird vom Sender als der bekannteste Cyberspace-Aktivist gefeiert, als ein "Pionier einer gerechteren Welt und als Opfer der politischen Repression". Wie viel Geld Assange vom russischen Sender erhalten wird, ist nicht bekannt.