Junge, gewaltbereite Konvertiten als "Terroristenlehrlinge"

Frankreich: Eine obskure Gruppe schürt Angst vor Terroristenzellen, die jederzeit zuschlagen könnten

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Bei einer Aktion in drei französischen Städten, in Torcy, Strasbourg und Cannes, erschossen französische Polizisten gestern einen Mann und nahmen elf Personen in Gewahrsam. Die Operationen hatte laut der Pariser Staatsanwaltschaft ein "Netzwerk, quasi eine Zelle" im Visier, in der sich Profile von Straffälligen fänden, die zum radikalen Islam übergetreten sind. Für den Chefermittler der DIPJ in Straßburg war die Festnahme des Mannes, der bei der Aktions ums Leben kam, das Hauptziel. Die Ziele der aufgespürten "Zelle" bleiben obskur, schreibt die Libération.

Herausgestellt wird die Gewaltbereitschaft einzelner Gruppenmitglieder. Der durch Polizeischüsse getötete Mann in Strassburg habe sofort aus einer Magnum 357 auf die Polizisten an seiner Tür gefeuert, zitiert die Zeitung die Polizei. Diese habe zurückgeschossen und den Mann getötet, so die ersten Untersuchungsergebnisse. Ein Polizist sei getroffen worden, aber durch Weste und Helm geschützt gewesen. Ein anderes Mitglied der Gruppe habe in Torcy ein geladenes Gewehr mit gespanntem Abzug bereitliegen gehabt.

Die Spur zu den Verdächtigen lieferte eine Granate, die Mitte September, in einem koscheren Geschäft in Sarcelles explodiert war. Menschen kamen nicht zu Schaden, der Schock war jedoch groß und die Angst auch. In Sarcelle, nördlich von Paris gelegen, gibt es eine wichtige jüdische Gemeinschaft, die Explosion fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Nachrichten voll waren mit Bildern empörter, US-Botschaften stürmender Mobs. Dass ein sich auf Al-Qaida berufender Einzelgänger im Frühling dieses Jahres auf einen Lehrer und Kinder vor einer jüdischen Schule in Toulouse schoss, ist noch deutlich in Erinnerung.

Auf der Granate waren DNA-Spuren, die zu Jérémie Louis-Sidney und im Weiteren zu den anderen Verdächtigen führten, die dann von der Polizei überwacht wurden. Sie werden als junge Franzosen beschrieben, alle geboren zwischen 1980 und 1990, die zum Islam konvertiert sind, manche sind vorbestraft. In den durchsuchten Wohnungen wurde eine Liste gefunden, auf der jüdische Vereinigungen in der Pariser Region stehen. Ob die Männer Anschläge geplant hatten, ist nicht bekannt, wird aber vermutet. Der getötete Jérémie Louis-Sidney soll Verbindungen zu einer verdächtigen islamistischen Gruppe gehabt haben, möglicherweise wollte er sich dem Dschihad anschließen, so eine weitere Vermutung. Dass er sich den Bart vor seiner Abreise nach Straßburg, wo er von der Polizei gestellt wurde, habe abrasieren lassen, wird als Indiz dafür gewertet, dass er ein Märtyrer sein wollte. Er hinterlässt angeblich zwei Frauen mit Kindern, eine Familie in Straßburg, eine in Cannes, wo sich auch der Treffpunkt der Gruppe befindet.

Für Innenminister Manuel Valls ist die Entdeckung dieser Gruppe ein Alarmzeichen. Im französischen Fernsehen verwies er auf die Möglichkeit, dass es noch mehr solcher radikalen Verbindungen geben könnte:

"Das ist die ganze Schwierigkeit...Es geht nicht um Terroristennetzwerke, die von außen kommen, es handelt sich um Netzwerke, die in unseren Vierteln leben. Es sind keine Ausländer, es sind Franzosen, die konvertiert sind, französische Muslime."

Natürlich war Valls darauf bedacht, die Verdächtigen von der muslimischen Gemeinschaft in Frankreich deutlich zu unterscheiden. Für ihn stelle sich nun die Aufgabe, die Polizei stärker auf solche "Terroristenlehrlinge", die von einem Moment auf den anderen handeln können, vorzubereiten. Die Arbeit der Polizei müsse sich darauf einstellen, solche Phänomene und Handlungen zu antizipieren. Es gebe eine terroristische Drohung in Frankreich, die sich von Fantasmen und Hass nähre.