Kalter Krieg - reloaded in der Arktis

Solana und Ferrero-Waldner warnen EU-Regierungen vor Konflikten mit Russland, ausgelöst durch den Klimawandel

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Von der Zukunft reden manche gerne in beschwörenden und angstmachenden Katastrophenszenarien, das verleiht dem Propheten Autorität und Aufmerksamkeit, ohne dass er die Gefahr über gewisse plausible Notwendigkeiten hinaus detailliert begründen muss. Dass man mit Drohszenarien das Profil schärfen kann und seine eigene Position untermauern, wissen Politiker nicht erst seit George W. Bush. Mit Schreckensszenarien, Krisen und anstehenden Konflikten läßt sich die Notwendigkeit der eigenen Arbeit gut begründen. Zumal wenn der hohe Posten, den man bekleidet, was das Legitimitätsempfinden bei der Bevölkerung angeht, auf keinen allzufesten Füßen steht.

Das Menetekel von kommenden Kriegen, bei denen es um immer knapper werdende Ressourcen geht, wird nun auch von der EU in einem Papier zum anstehenden Gipfel beschrieben. Verantwortlich für den Bericht, dessen Inhalt vorab in Auszügen von einigen Medien veröffentlicht wurde, sind der EU-Außenbeauftragte Solana und die Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner.

Laut Guardian warnen sie die 27 EU-Regierungen in ihrem Gipfelpapier vor "signifikanten potentiellen Konflikten", die in kommenden Dekaden als Resultat eines intensivierten Wettbewerbs um Zugang und Kontrolle zu und über Energieressourcen auf uns zukommen. Offensichtlich zeichnen Solana und Ferrero-Waldner in ihrem Papier Drohbilder, die man schon kennt: große Flüchtlingsströme Richtung Europa, weil der Klimawandel die Lebensbedingungen in Afrika und im Nahen Osten höchstwahrscheinlich weiter verschlechtern wird: Dürre in Afrika, Wassermangel im Nahen Osten - eine Verschärfung politischer Konflikte um Trinkwasser, fruchtbares Land und Energieressourcen sind absehbare Folgen.

Dass Solana und Ferrero-Waldner in ihrem Bericht einmal mehr die Kluft zwischen den reichen und armen Ländern, zwischen dem Norden und den Süden, akzentuieren, gehört zum Standard-Repertoire dieser Art von Ausblicken. Bemerkenswert ist dagegen, dass es die Autoren auf einen künftigen Konflikt besonders abgesehen haben: den zwischen der EU und Russland in der Arktis. Da man damit rechnen könne, dass das rasche Abschmelzen des Eises in der Regiona m Nordpol neue Verkehrswege frei lege und den Zugang zu den dort reichlich vermuteten Bodenschätzen, insbesondere Öl und Gas, erleichtere, müsse man sich auf verschärfte Konflikte mit Russland einstellen. Zumal Putin die Ansprüche auf die Arktis vor einiger Zeit schon mal auf drastische Weise demonstriert habe.

Nach Informationen des Guardian soll ein Manifest, das eine strategische Neuorientierung der Nato beschreibt (allerdings aus der Feder von Generälen außer Dienst), sich ebenfalls dem potentiellen Konflikt an der Arktis zwischen Russland und dem Westen, dessen Potential erst durch die Erderwärmung offengelegt wird, widmen. Dort heißt es:

"The islands of Spitsbergen (...) have large deposits of gas and oil that are currently locked under a frozen continental shelf. (...) If global warming were to allow this to become a viable source of energy, a serious conflict could emerge between Russia and Norway."

Wobei Norwegen nicht zur EU gehört, wohl aber zur NATO. In den Konflikt würde, so das Szenario des Manifests, neben den USA und Kanada auch der EU-Staat Dänemark mit hineingezogen.

Tatsächlich soll es laut Gerüchten, welche die britischen Zeitung zitiert, Überlegungen innerhalb der Nato geben, wonach westliche Truppen als Pipeline-Polizei in bestimmten Regionen, etwa dem Kaukasus, eingesetzt werden sollen. Nato-Vertreter verneinen diese Möglichkeit jedoch unter Berufung auf nationale Hoheitsgebiete (welche der Nato allerdings nicht immer heilig sind): "Energy security and the security of installations and transportation routes are a national responsibility, not an alliance responsibility."