"Keine Opposition, sondern Banditen" - Janukowitsch spricht von Machtergreifung

Das ukrainische Parlament hat den Präsidenten einstimmig für abgesetzt erklärt und Neuwahlen angeordnet

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Das ukrainische Parlament entschied sich ohne Gegenstimme (328-0) für eine Amtsenthebung des Präsidenten Viktor Janukowitsch. Begründet wird dies mit "schweren Verletzungen von Menschenrechten" und der Nichterfüllung von Amtspflichten. Zugleich setzte man Neuwahlen für den 25. Mai fest.

Die Nachricht wurde von differierenden Meldungen über die Reaktion des Präsidenten begleitet. So war zuvor und danach von einem Einverständnis des Janukowitsch die Rede, sogar von einer Rücktrittserklärung. Danach kamen Bericht an die Öffentlichkeit, samt einem Video von einem Fernsehauftritt, die das Gegenteil meldeten: Dass Janukowitsch sein Amt behalten wolle. Laut Bericht der Kyiv Post vertritt Janukowitsch die Auffassung, dass es sich um einem Staatstreich handelt: "Ich habe Angst um mein Land. Ich werde in der Ukraine bleiben und versuchen, die Kriminellen aufzuhalten."

Das sei "keine Opposition, sondern Banditen", wird der Janukowitisch auch von Ria Novosti zitiert. In den Vordergrund gerückt werden von dieser Seite die radikalen rechten Gruppen, Parteien und Strömungen der Opposition. Nach dieser Quelle beschwört Janukowitsch die im politischen Schlagabtausch bewährte Gleichsetzungsrhetorik, welche die ganze Opposition über den nationalsozialistischen Kamm schert. So sieht der Präsident "die Ukraine von Neonazismus bedroht: Die jüngsten Ereignisse würden an die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren in Deutschland erinnern."

Ganz anders liest das britische und deutsche Außenministerium die Situation. Laut William Hague hat er sich mit seinem Amtskollegen Steinmeier darauf verständigt, die neue Regierung zu unterstützen und beim Internationalen Währungsfonds um ein "vitales Hilfspaket" nachzufragen.

Wie berichtet hat sich ein heute stattfindender Kongress in Charkow mit 3.500 Delegierten aus dem russischsprachigen Osten und Süden der Ukraine für eine regionale Selbstverwaltung im Süden und Osten der Ukraine entschieden; die Entscheidungen des Parlaments weckten "Zweifel hinsichtlich der Legitimität und der Gesetzlichkeit", wird die Resolution wiedergegeben.

Währenddessen wird bekanntgegeben, dass das Parlament morgen einen Premierminister wählen wird, das erste Video der freigelassenen Julia Timoschenko zirkuliert.

Es zerrt und reisst von verschiedenen Seiten; das Bangen darüber, ob die Ukraine in eine bürgerkriegsähnliche Situation abgleiteten kann, das mit der gestrigen Nachricht über die Vereinbarung zwischen Opposition und Regierung zunächst beruhigt wurde, ist nicht beendet.