Kinder unter Zwölf: Hände weg vom Handy?

Ein französischer Wissenschaftler vergleicht die Krebsgefahr durch Mobiltelefonnutzung mit Studien zu Risiken des Rauchens

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Der französische Neurologe, Psychiater und Buchautor David Servan-Schreiber hat gestern einen in Frankreich viel beachteten Aufruf veröffentlicht, in dem er zusammen mit „20 internationalen Wissenschaftlern“ vor dem Gebrauch von Handys warnt. In dem Appell, der von der Nachrichtenagentur AFP, von Le Monde, vom Figaro, von der Libération, von Radio France und einer Menge anderer aufgegriffen wurde, ist die Rede von einer möglichen Krebsgefahr durch die kleinen Taschentelefone.

Zwar würden bislang existierende epidemiogische Studien nicht ausreichen, um daraus definitiv zu schließen, dass der Gebrauch von Handys mit einem gesteigerten Risiko der Entstehung von Tumoren und anderen Gesundheitsproblemen in Zusammenhang stünde, aber, so will uns Servan-Schreiber sagen, das soll uns nicht beruhigen. Um das klar zu machen, verweist er darauf, dass es sehr lange gedauert habe, bis man von Rauchern, die weniger als zehn Jahre geraucht haben, sicher sagen konnte, dass sie einem höheren Lungenkrebsrisiko ausgesetzt seien – obwohl zuvor der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs und das gestiegene Risiko bereits „perfekt nachgewiesen“ gewesen war. Servan-Schreiber parallelisiert diese Phänomene - „des études dans des conditions similaires“ - und warnt: Das Risiko könnte sich erst 15 bis 35 Jahre später zeigen - eine fragwürdige Rethorik, die mit wissenschaftlichen Ergebnissen aus einem völlig anderen Gebiet hantiert, um Angst zu erzeugen.

10 Hinweise beim Gebrauch des Mobiltelefons seien unbedingt zu beachten, um das Risiko, das durch die elektromagnetischen Felder entstehe, möglichst gering zu halten: Keine Handynutzung für Kinder unter zwölf Jahren; beim Telefonieren ein Head-Set benutzen - das Handy sollte nämlich am besten einen Meter vom Körper entfernt sein (das Magnetfeld würde pro 10 Zentimeter um ein Viertel schwächer werden); das Taschentelefon möglichst nicht am Körper tragen; kurze Gespräche; besser SMS-Schreiben als Telefonieren; das Handy niemals unters Kopfkissen beim Schlafen und keinesfalls im Zug oder im Auto benutzen, da unterschiedliche Signalstärken auf der Strecke zu Leistungserhöhungen des Gerätes führen.

Kritiker des Bestsellerautors Servan-Schreiber dürften es auch diesmal nicht schwer haben, seinem Appell mangelnde wissenschaftliche Evidenz vorzuwerfen. Der prominente Verfechter von alternativen Vorbeugungs- und Therapiemethoden bei der Behandlung von Krebs provoziert kontroverse Reaktionen. In Deutschland heißt sein Bestseller „Die neue Medizin der Emotionen“, laut Zeit eine Art Manifest gegen die „Medikamentenreligion“. In Frankreich heißt das Buch, das den Sohn des berühmten Herausgebers des Magazins „L'Expres“, selbst berühmt gemacht hat: „Guérir“ wie auch die Webseite, wo der aktuelle Aufruf zu finden ist.

Die 20 Unterzeichner sind zum großen Teil Onkologen, was dem Appell Glaubwürdigkeit und Schärfe verleihen soll. Auch David Servan-Schreiber selbst verfügt über „akademische Credits“, die einerseits wissenschaftlich Kompetenz nahelegen und anderseits wegen seiner schillernden Forschungsfelder - „spécialisation en médecine interne et en psychiatrie“, „recherche en cybernétique et en sciences neuro-cognitives“, „Neurosciences Cognitives“ - jene Skepsis hervorruft, die solche Grenzgänger begleitet. Zumal wenn sie sich wie in diesem Fall ohne Beweise weit aus dem Fenster lehnen...