Klima: Wie sich die globale Temperatur nach oben schraubt

Eine ungewöhnliche Darstellung der Daten veranschaulicht, wie nah wir schon an der Grenze zu wirklich gefährlichen Eingriffen in das globale Klimasystem stehen

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Es beklagen sich ja regelmäßig Leser über die Darstellung der global gemittelten Temperatur als Anomalie zu einer bestimmten Referenzperiode. Besonders häuft sich die Kritik, wenn die weiter zurückliegende Periode 1951 bis 1980 verwendet wird, die ein Teil der US-Wissenschaft aus Gewohnheit bevorzugt.

Der Grund für die Kritik ist simpel, aber irreführend. Die als Bezugspunkte verwendeten Mittelpunkte aus dieser Zeit sind niedriger, der Temperaturanstieg erscheint größer.

Allerdings verschiebt eine andere Referenzperiode nur die Nulllinie. Das Wesentliche, die Form der Kurve und damit ihre eigentliche Aussage, verändert sich nicht. Sie bleibt immer gleich und sieht derzeit besonders ungemütlich aus. Oder mit anderen Worten: Die Werte der Anomalien haben nur dann eine Aussage, wenn man sie zueinander in Beziehung setzt, um die Veränderungen zu beschreiben, um die es eigentlich geht.

(Bild: Met Office Hadlec Centre)

Obige Grafik veranschaulicht das. In ihr sind die vom britischen Wetterdienst (Met Office), von der US-Behörde für Atmosphäre und Ozeane (NOAA) und der vom Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA analysierten Datensätze auf die gleiche Referenzperiode bezogen und in einer Darstellung zusammengefasst. Offensichtlich sind sich die Kurven sehr ähnlich und stimmen in den wesentlichen Details überein. Abweichungen liegen fast immer im Unsicherheitsbereich (Vertrauensintervall sagt der Statistiker) der britischen Kurve (grauer Streifen). Vor allem: Sie zeigen alle den besorgniserregenden Anstieg 2015, der sich in den ersten Monaten des Jahres 2016 bisher fortgesetzt hat.

Man kann allerdings die Referenzperiode auch ganz anders legen und zum Beispiel den Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 heranziehen. Damit hat man schon fast das vorindustrielle Temperaturniveau als Maßstab. Der Wert der Anomalie kann dann sofort zu den oft diskutierten 1,5- und 2-Grad-Celsius-Grenzen ins Verhältnis gesetzt werden.

Genau dies hat Tim Osborne von der Climate Research Unit der University of East Anglia gemacht, die seit Jahren eng mit dem Hadley Centre des Met Office zusammenarbeitet. Er hat die Zeitreihe der globalen Mittelwerte auf die besagte fast-vorindustrielle Referenzperiode bezogen und zugleich eine ungwöhnliche, aber erhellende Form der Darstellung gewählt. Die Monatswerte werden spiralförmig abgebildet. Daraus hat er dann auch noch eine interessante Animation gemacht, in der die Daten von Anfang 1850 bis zum März 2016 geplottet werden.

(Bild: Climate Research Unit University of East Anglia)

Obige Grafik ist das Standbild der Animation. Je heller die Linien, desto näher an der Gegenwart liegen die Daten. Besonders beeindruckend – um nicht zu sagen: erschreckend – sind die letzten Monate, die sich schon sehr nah an die 1,5-Grad-Grenze heran gearbeitet haben.

Diese wird von einem Teil der Klimawissenschaftler als die Schwelle angesehen, die nicht überschritten werden sollte, wenn die großen Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland nicht nachhaltig destabilisiert werden sollen. Die 2-Grad-Grenze ist inzwischen in verschiedenen internationalen Verträgen von den meisten Staaten als die Grenze anerkannt worden, die nicht überschritten werden darf. Eine entsprechende Anpassung ihrer Klimaschutzziele haben die meisten Staaten allerdings bisher nicht vorgenommen. Auch Deutschland nicht.