Kohle: Will Gabriel tatsächlich den Ausstieg?

Gabriels Versuch, alte Kohlekraftwerke ein klein wenig unter Druck zu setzen, stößt auf heftigen Widerspruch in der Koalition

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit der Sachlichkeit ist es bei deutschen Politikern schnell vorbei, wenn es um Fragen der Energieversorgung und des Klimaschutzes geht. Jüngstes Beispiel dafür ist Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der seinem Parteikollegen Sigmar Gabriel vorwarf, er hole zu einem "vor allem einen ideologisch motivierten Schlag gegen die Braunkohle" aus.

Hintergrund der Aufregung sind Pläne Bundeswirtschaftsminister Gabriels, eine neue CO2-Abgabe für Kraftwerke einzuführen, die älter als 20 Jahre sind. Das könnte Brandenburgs Braunkohlekraftwerke besonders treffen, denn die haben dieses Alter überwiegend längst erreicht und stoßen außerdem in Relation zum erzeugten Strom besonders viel Treibhausgase aus. Bei alten Braunkohlekraftwerken sind es etwa 1200 Gramm CO2 pro Kilowattstunde, in einem modernen Steinkohlekraftwerk sind es hingegen 750 und in einem neuen Gas- und Dampfturbinenkraftwerke nur 365 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

Gabriels Vorschlag läuft darauf hinaus, dass die mehr als 20 Jahre alten Kraftwerke für alle Emissionen zu Kasse gebeten werden, die über einen Freibetrag hinaus gehen. Dieser soll so gestaltet werden, dass die Abgabe auf zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen des Kraftwerkparks entfällt. Außerdem solle der Freibetrag mit zunehmenden Alter schrittweise abgesenkt werden. Damit solle ein betriebswirtschaftlicher Anreiz geschaffen werden, weniger zu emittieren. Alte Kraftwerke würden – sollten die Freibeträge nicht zu hoch und die Strafen für zusätzliche Emissionen zu niedrig angesetzt – früher an Rentabilität verlieren.

Der Wirtschaftsflügel der Union findet das "unterirdisch". Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Joachim Pfeiffer, meint: "Da soll ein nationales Kohle-Abschaltprogramm installiert werden."

Was sicherlich eine sinnvolle Sache wäre. In China gibt es zum Beispiel jährlich zentrale Vorgaben der Planungsbehörden in Beijing (Peking) für das Abschalten alter Kraftwerke und anderer starker Verschmutzer. So wird eine fortschreitende Erneuerung des Kraftwerkparks und eine Verbesserung des Verhältnis von Output zu Emissionen geschaffen.

Die Grafik zeigt zweierlei: Zum einen sind die alten Kraftwerke besonders ineffektiv und haben einen entsprechend schlechtes Verhältnis von Emissionen zum Energie-Output. Zum anderen laufen insbesondere in Nordrhein-Westfalen, das heißt, bei RWE, besonders alte Anlagen. Bild: DIW (Bild: DIW)

Deutschlands Kraftwerkspark ist hingegen inzwischen durch Überalterung gekennzeichnet. Die Mehrzahl der Stein- und Braunkohleanlagen ist bereits über 30 Jahre und wird in den nächsten 15 Jahren ohnehin vom Netz gehen müssen. Ein Kohle-Ausstiegsgesetz, dass für einen geordneten Übergang sorgt und die Stromversorgung zügig an die neuen, stärker dezentralisierten Gegebenheiten der neuen Energieträger anpasst, wäre da eher überfällig.

Leider ist Gabriels Vorstoß noch weit von derlei entfernt. Zu befürchten ist eher, dass die Freibeträge und Abgaben im politischen Prozess soweit runtergekocht werden, dass die neuen Maßnahmen ähnlich zahnlos ausfallen wie schon der Emissionshandel. Genaueres werden wir eventuell schon nach dem Treffen Gabriels mit den Energieministern der Bundesländer wissen, das für den heutigen Freitag angesetzt ist.

Übrigens: Sollte die neue Abgabe tatsächlich wirksam konzipiert werden, würde damit das Stromüberangebot auf dem Markt abgebaut, wodurch die Kilowattstunde Strom an der Börse in Leipzig teurer würde. Dadurch würde die EEG-Umlage gesenkt. Eine Abgabe für die alten Kohlekraftwerke käme also nicht nur dem Klima zugute sondern würde auch den Strom für die privaten Verbraucher und kleinen Gewerbetreibenden verbilligen.