Kommentar: Friedliche Friedenspartei

"Versteinerte Verhältnisse zum Tanzen zwingen"? Das nimmt die Linke sich nicht vor

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Viel Routine, kaum Kontroversen, nichts Überraschendes, reibungslose Wahl der Führungsspitze - die Medien wissen gar nicht so recht, was sie über den Bundesparteitag der Partei "Die Linke" (PDL) berichten sollen:

Aus der Erwartung, die Partei werde sich selbst zerlegen, ist nichts geworden. Katja Kipping und Bernd Riexinger ist es gelungen, deren innere Konflikte ruhig zu stellen, die Sonntagsfragen bestätigen eine Wählergunst an die 10 Prozent und möglicherweise wird demnächst ein PDLer thüringischer Ministerpräsident.

Eine Partei, die schon um ihre weitere Existenz bangen musste, kann das alles als Erfolg empfinden.
Der Blick des PDL-Managements ist auf das Jahr 2017 gerichtet: Die Partei ist bereit, zusammen mit der SPD und den Grünen Regierungsverantwortung in der Bundespolitik zu übernehmen,. Aber ist diese Zielsetzung realistisch?

Selbstverständlich kalkuliert auch die SPD-Führung mit der Option "Rot-Rot-Grün" nach der nächsten Bundestagswahl: So richtig glücklich ist sie ja mit der Großen Koalition nicht. Allerdings meinen die führenden Sozialdemokraten (und tun dies gegenwärtig auch gern kund), die PDL sei noch nicht "reif" für ein Regierungsbündnis im Bund, denn da ist über Außenpolitik zu entscheiden, was eben auch heißt: über Militärpolitisches. Und der PDL mangele es in dieser Hinsicht an Rechtgläubigkeit, am Bekenntnis zur NATO.

Demgegenüber fallen Differenzen in Sachen EU-Politik oder bei innenpolitischen Fragen nicht so sehr ins Gewicht - und auf die Deklaration, die deutsche Gesellschaft brauche einen sozialen "Gerechtigkeitsruck", kann sich die SPD leicht einlassen. Aber die "Atlantikbrücke" als Strecke für den Transfer geopolitischer Vorgaben an die Politik der Bundesrepublik wird sie nicht in Frage stellen.

Weitaus hemmender noch ist für die Perspektive "Rot-Rot-Grün" die Rolle der Grünen. Diese Partei ist seit längerem auf dem Wege der ideellen und praktischen Annäherung an die CDU/CSU - und jetzt beim Konflikt um die Ukraine tritt sie kaltkriegerischer auf als die Unionsparteien. Die Linkspartei müsste sich außen- und militärpolitisch vom Saulus zum Paulus wandeln, um koalitionäre Gnade bei den Grünen zu finden.

Beim Parteitag hat die Linke noch einmal als Alleinstellungsmerkmal bekräftigt, sie sei in der Bundesrepublik die "Friedenspartei". Zum Thema Ukraine wurde nahezu einmütig eine Resolution beschlossen, die dem Kalten Krieg eine Absage erteilt , Kritik an der Politik des Westens wie auch Russlands äußert und zur Deeskalation auffordert.

In manchen Diskussionsbeiträgen wurde zwar ein "Raus aus der NATO" laut, was Kommentatoren ein wenig Stoff für das PDL-Bashing lieferte. Aber die parteioffizielle Stellungnahme ist ziemlich zurückhaltend formuliert, und keineswegs ist operativ eine Absicht erkennbar, die Linke zur Antriebskraft für außerparlamentarische Protestbewegungen gegen den neuen Trend zur Militarisierung der internationalen Politik zu machen. Vermutlich spielt bei dieser Zaghaftigkeit auch die Rücksicht auf angestrebte Regierungsbündnisse mit.

Insofern bekommt der Unwille über das Fiasko der EU-Strategie in Sachen Ukraine und über die Bedenkenlosigkeit der US-Geopolitik (obwohl in der Bevölkerung der Bundesrepublik weit verbreitet) keine überzeugende parteipolitische Vertretung. Anzumerken ist allerdings, dass manche Linke in der Linkspartei auch in dem Verdacht stehen, deshalb "Putinversteher" zu sein, weil sie (irrtümlich) annehmen, die russische Regierung habe im Hinterkopf immer noch Linkes im Sinn.

Die PDL, so lässt sich schließen, wird die versteinerten Verhältnisse in der deutschen "Weltpolitik"(mitsamt ihrer militärischen Komponente) nicht zum Tanzen bringen. Sie will "Friedenspartei" sein - das aber auf geruhsame Weise, ohne einen massiven Konflikt mit der sozialdemokratischen Führung zu riskieren. Ob aber diese Rechnung im Jahre 2017 aufgeht, ist ungewiss.

Eine Attraktion des PDL-Parteitags: Die Europarede von Alexis Tsipras, geschickt angelegt, fast staatsmännisch in der Tonart, mit dem Schwerpunkt, den Rechtspopulismus zum Halt zu bringen. Dann sangen die Delegierten "Bandiera Rossa - Die rote Fahne wird triumphieren". Mit wenig Stimmkraft, so ernst war das Lied wohl auch nicht gemeint. Anschließend etwas Flügelflattern bei den Wahlen zum erweiterten Vorstand, nach stürmischen Verhaltensweisen sah es, als dieser Bericht geschrieben wurde, nicht aus; Die Linke ist jetzt eine gesittete Partei.