Kommt der große Börsencrash?

Die zum Teil deutlichen Verluste zum Börsenschluss in Fernost ließen die Nervosität steigen, der Crash blieb an Europas Börsen vorerst aus

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Hektisch wurden am Wochenende im erwarteten heißen Euro-Sommer Telefonkonferenzen abgehalten. Nach der Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA sollte am Montag ein massiver Börsencrash verhindert werden.

Die Börsen in Europa hatten schon eine schwarze Woche hinter sich. Der Frankfurter Leitindex DAX war einer der großen Leittragenden, nachdem er bis zum Donnerstag schon 850 Punkte verloren hatte, kam am Freitag nach einer Berg- und Talfahrt erneut ein Verlust von 2,8% oder 179 Punkten hinzu. Insgesamt hat der DAX in den letzten neun Handelstagen gut 15% verloren.

Dass der Goldpreis am frühen Montag erneut einen Rekordwert von 1710 Dollar gestiegen ist, war kein gutes Zeichen. Ähnlich ungute Vorzeichen kamen von den Börsen in Asien. In Taiwan hat die Börse mit einem Minus von 3,82% geschlossen. Das war der größte Kursverlust seit 13 Monaten. Etwas höher lagen die Verluste bei den Indizes in Hongkong und Shanghai, da China der größte Gläubiger der USA ist. Entsprechend moderater fiel der Verlust in Tokio aus, wo der Nikkei-Index 2,2% verloren hat. Aber die Futures an den europäischen Märkten weisen auch hier erneut auf herbe Verluste hin. Bislang allerdings blieb der Crash aus, die Unsicherheit ist aber am DAX und den anderen europäischen Börsen zu spüren.

Dabei versuchte man am Wochenende auf allen Ebenen einen Kurssturz zu verhindern. Nun hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt, dass sie den Sündenfall weiter deutlich ausweiten will, der eigentlich aufgegeben werden sollte. So kündigte die EZB am Sonntagabend nach einer Videokonferenz des Gouverneursrats an, dass die Gelddruckmaschine angeworfen wird und weitere Staatsanleihen angekauft werden. Hatte die EZB bisher in die Versteigerung von Staatsanleihen der Staaten eingegriffen, will sie nun auch am Sekundärmarkt Staatsanleihen von Krisenstaaten wie Spanien und Italien aufkaufen, die sich derzeit einen Wettlauf liefern, wer von beiden zuerst unter den Rettungsschirm muss. Ob es etwas nutzt, darf bezweifelt werden. Auch die massiven Aufkäufe von griechischen, irischen und portugiesischen Anleihen haben deren Absturz nur verzögert aber nicht verhindert.

Hektisches Treiben

Es ist klar, dass sich alle Bemühungen auf Italien richten, denn das große Euroland ist schon tief im Abwärtsstrudel. Am Freitag war der Risikoaufschlag für zehnjährige Staatsanleihen Italiens erstmals mit 421 Basispunkten über den Aufschlag für Spanien gestiegen. Doch auch der hatte mit 417 Basispunkten auf einen neuen Rekordwert erreicht. Beide Länder müssen also mehr als vier Prozent höhere Zinsen als Deutschland bieten und nähern sich deutlich der gefährlichen Zinsschwelle von sieben Prozent an, an der Griechenland, Irland und Portugal den Nothilfe-Antrag stellen mussten.

Für Italien werden solch hohe Zinsen aber deutlich schneller als für Spanien zu einem großen Problem. Das zeigte sich am Freitag in Italien, wo angesichts des Kurssturzes in Mailand nicht einmal ein Schlusskurs angegeben wurde. Seit Jahren zeichnet sich das Land durch eine enorme Staatsverschuldung aus. Es sind etwa zwei Billionen Euro und Ende 2010 waren es 119 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Dieser Wert wird nur von Griechenland übertroffen. Spanien könnte die hohen Zinsen etwas länger aushalten, weil seine Staatsschulden mit gut 60 Prozent im europäischen Vergleich niedrig sind.

So versteht man das hektische Treiben, das nun immer stärker losbricht. Schon am Donnerstag hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einen Alarmbrief an die 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer geschickt. Er hat eine "rasche Neubewertung aller Elemente im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsfonds EFSF" gefordert, weil die bisherigen Beschlüsse des EU-Gipfels vor zwei Wochen "nicht die beabsichtigte Wirkung auf den Märkten" entfaltet hätten. Im Zentrum steht wegen der Entwicklung die Ausweitung des Volumens. Barroso fordert, der Fonds müsse "über die Mittel" verfügen, "um Ansteckungsgefahren zu bekämpfen".

Das hatte Berlin versucht ausbremsen, obwohl ein Absturz Italiens durch die 750 Milliarden des EFSF nicht zu schultern ist. Wegen der neuen Aufgaben, die der Fonds nach dem EU-Gipfel vor drei Wochen bekommen soll, wäre er schon mit einem Abgang Spaniens an seinen Grenzen angelangt, weshalb Barrosos Forderungen nachvollziehbar sind. Auf einer Telefonkonferenz haben in der Nacht die sieben führenden Industriestaaten (G7) vereinbart, für Stabilität des globalen Finanzsystems zu sorgen. Man sei sich einig, wenn nötig gemeinsam Liquidität und Stabilität an den Finanzmärkten zu gewährleisten und für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Zusammen mit den staatlichen Sparanstrengungen werde dies langfristig zu Nachhaltigkeit in den Staatshaushalten führen, behaupten sie. Das ist aber auch keine Neuigkeit mehr und solche Beschwörungsformeln zeigen nur die Hilflosigkeit der Regierungschefs.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben gemeinsam versucht, zur Beruhigung der Finanzmärkte beizutragen. Sie beschwören nun, dass die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom Juli rasch und vollständig umgesetzt werden sollen. Merkel und Sarkozy betonten die Bedeutung einer schnellen Zustimmung der Parlamente ihrer beiden Länder bis Ende September. Danach soll auch der EFSF die Anleihen angeschlagener Staaten auf dem Sekundärmarkt kaufen, teilten die beiden Regierungschefs am Sonntagabend weiter mit. Doch wie das im geforderten Umfang für Italien und Spanien gehen soll, wenn der Fonds nicht aufgestockt wird, wie Barroso gefordert hat, bleibt das Geheimnis von Merkel und Sarkozy und wird sicher nicht die erhoffte Ruhe mit sich bringen.

Das gilt auch dafür, wenn sie Italien und Spanien ermahnen, ihren angekündigten Konsolidierungskurs zügig und vollständig umzusetzen. Beide Länder werden dadurch in die Rezession abschmieren. Schon im zweiten Quartal hatten beide Länder nur ein sehr schwaches Wachstum im Vergleich zum Vorquartal. In Spanien ging es von 0,3 Prozent erwartungsgemäß auf 0,2% zurück und in Italien waren es ebenfalls nur 0,3%.