Kontakt mit der Realität

Eine österreichische Jugendstudie bringt an den Tag, dass 14-24Jährige mehrheitlich eine Familie gründen und Frauen zuhause bleiben wollen, wenn der Lebensunterhalt durch den Partner gesichert wäre

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Das österreichische Ministerium für Wirtschaft, Jugend und Familie hat eine Jugend-Studie durchführen lassen, bei der sich die 800 befragten, repräsentativ ausgewählten 14-24-jährigen Burschen und Mädchen sehr zuversichtlich zeigen und traditionelle Lebensformen hochhalten, besonders unter den weiblichen Befragten.

Familie und ausgeprägter Kinderwunsch

So finden es 60 Prozent der Mädchen und Frauen wichtig, einmal zu heiraten, beim anderen Geschlecht sind es nur 34 Prozent. Doch wollen 74 Prozent aller Befragten eine eigene Familie; für 70 Prozent sind die eigenen Eltern ein "starker Rückhalt in schwierigen Situationen". Mehr als die Hälfte der Frauen, 55 Prozent, wollen auf "jeden Fall einmal Kinder haben". Bei den Männern ist es dagegen nur etwas mehr als ein Drittel, 36 Prozent.

Experten deuten das Gesamtergebnis - 46 Prozent gaben "ja, auf jeden Fall an" - als "ausgeprägten Kinderwunsch", zumal solche, die einen Kinderwunsch angeben, zu 60 Prozent zwei Kinder haben wollen. Und: "Frauen möchten tendenziell mehr Kinder."

Und sie wollen tendenziell möglichst viel Zeit für ihre Kinder haben. So könnte man die Ergebnisse interpretieren, die dann zu einigen Diskussionen geführt haben. Dass nämlich fast 80 Prozent der Befragten, 78 Prozent der jungen Frauen und mit 76 Prozent ein fast genauso hoher Anteil der jungen Männer, Kinder bis zum Alter von 3 Jahren hauptsächlich Zuhause betreuen wollen. Immerhin fast ein Drittel (31% bei beiden Geschlechtern) findet, dass es auch für 3- bis 6-Jährige besser sei (wobei sich zeigt, dass "sich die Burschen keine ganz konkreten Gedanken zur Dauer der Kinderbetreuung gemacht haben").

Hausfrauen und Hausmänner

Die schlagzeilenträchtige Aussage findet sich dann am Ende der Untersuchung: 55 % Prozent der jungen Frauen gaben nämlich an, dass ihnen Kinderbetreuung und Familie offensichtlich so wichtig ist, dass sie gerne Hausfrau wären, sich um den Haushalt und die Kinder kümmern würden, wenn der Mann genug verdient, um den Lebensunterhalt zu sichern. Dass sich auch 34 Prozent der Männer in der umgekehrten Situation ähnlich entscheiden würden und gerne Hausmann wären, wird in der Diskussion zur Studie dagegen kaum erwähnt.

"Besorgniserregend"

Die Reaktionen auf die Studie, unter dem Artikel zur Studie im Standard finden sich weit über 2000 Postings, zeigen, dass viele mit diesem Bild der Jugend nicht zufrieden sind. Heftig gestritten wird vor allem über den Wunsch der jungen Frauen, lieber zuhause zu bleiben, als einem eigenen Beruf nachzugehen. Die Jugendsprecherin der österreichischen Grünen, Tanja Windbüchler-Souschill, findet das Ergebnis der Befragung "besorgniserregend". Wirtschaftskrise, Bildungsblockade und die Einkommensschere hätten offenbar "die neue Generation junger Frauen in alte Klischees zurückgedrängt".

"Wie soll wie soll sich die Gesellschaft nachhaltig zum Besseren wenden, wenn solch konservative Frauen- und Männerrollen in den jungen Köpfen herumschwirren?", wird im Forum des Standards gefragt. Manche Vorwürfe gehen gar soweit, dass sie den jungen Frauen nicht nur eine Heimchennaivität, sondern auch Arbeitsunlust oder Faulheit unterstellen.

Ungeachtet dessen, dass sich eben auch viele Männer vorstellen können, als Hausmann zu arbeiten, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist. Durchaus möglich, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren steigt. Vielleicht schauen die Jugendlichen auch nur genau hin bei Familien mit Doppelverdienern und wieviel Zeit diese für Kinder haben. Dass sich sehr viele junge Frauen mit Kinderwunsch auch für Teilzeitarbeitsmodelle ausgesprochen haben, deutet in diese Richtung.

Geschlechtergleichheit

Und ebenso spricht das Ergebnis, wonach 85% der Männer zustimmen, dass Männer für die Kindererziehung genauso verantwortlich sind wie Frauen, auch dafür, dass bei der jüngeren Generation womöglich doch ein ausgeprägteres Gefühl für Geschlechtergleichheit präsent ist, als dies von Seiten vermutet wird, die hier Alarm schlagen - weil die Wünsche der jungen Frauen langgehegten Klischees von selbstbestimmten, unabhängigen Frauen widersprechen?

In diese Kerbe schlägt auch ein Leserbrief, den die österreichische Zeitung für wert befunden hat, ihn als eigenen Kommentar zu veröffentlichen:

"Wir sollten ab und zu einmal wieder versuchen, Kontakt mit der Realität aufzunehmen, versuchen, MIT den Youngsters zu reden, die wir den ganzen Tag nicht sehen, anstatt über sie zu lästern, versuchen die theoretische feministisch-ideologische Debatte mit etwas Pragmatismus zu würzen..."