Koran haram

Saddam Hussein ließ mit eigenen Blutspenden den Koran von einem Kalligraphen abschreiben; die neue Führung des Irak rätselt nun, was sie damit anfangen soll

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Lächerlichkeit und Pathos sind Kennzeichen eines bestimmten Typs des Diktators. Am meisten ausgeprägt beim Operettendikator wie zum Beispiel bei Kaiser Bokassa, etwas weniger vielleicht beim durch und durch bösen Typus à la Stalin. Ein Quell von natürlich verbotenen Witzen sind sie bei jedem Typus. Die Lächerlichkeit hat allerdings, wie sich allein an den oft mit dem Tod bestraften Witzen zeigt, eine entsetzliche, blutige Kehrseite: Hunderttausende von Toten und zerstörten Leben.

Dass Saddam Hussein in den späten 1990er Jahren einen Kalligraphen und eine Krankenschwester beschäftigte, damit dieser mit dem abgezapften Blut des Autokraten den Koran abschreibe, ist ein absonderliches Beispiel für das lächerliche Pathos eines Diktatoren, den man zwischen Operetten- und Höllenfigur einreihen könnte. Zwei Jahre lang, so berichtet der Guardian, schrieb der Kalligraph an der Devotionalie, 27 Liter Blut soll die Krankenschwester Saddam Hussein dafür aus den Adern gezogen haben.

Der Diktator ist mittlerweile tot, hingerichtet; die 605 Koranseiten mit seinem Blut sind in einer verbotenen Kammer hinter Glas aufbewahrt - ein Schaustück von unermesslichen Wert, "ganz sicher mehrere Millionen Dollar", wie der für den Nachlass verantwortliche Mann erklärt, doch soll es niemand sehen. Die neue Führung im Irak ist sich noch nicht klar darüber, was es mit dieser peinlichen Hinterlassenschaft anfangen soll. Man wolle auf keinen Fall, dass die verbliebenen Baathisten irgendeine Gelegenheit hätten, die Zeit der Gewaltherrschaft anhand solcher Symbole aufzuwerten und davon zu profitieren.

Andrerseits, so führt der Sprecher des Premierministers al-Maliki gegenüber der britischen Zeitung aus, sei die Angelegenheit des mit Saddams Blut geschriebenen Korans ein anderer Fall als etwa die Statuen des Diktators. Die habe man einfach entfernt. Behalten habe man aber dennoch einiges, was während des Hussein-Regimes gebaut wurde. Auch für die Aufbewahrung des "Blut-Korans" gebe es Gründe:

"Wir sollten ihn als Dokument für Saddams Brutalität aufbewahren, er hätte dies nicht tun dürfen (Anm. d. A.: Nach der Expertise eines Geistlichen ist es verboten, den Koran mit Blut abzuschreiben). Es sagt eine Menge über ihn. Es sollte aber nie in einem öffentlich zugänglichen Museum ausgestellt werden, weil es kein Iraker sehen will. Möglicherweise könnte man es irgendwann in der Zukunft an ein privates Museum schicken, wie Memorabilia der Regime von Hitler und Stalin."

Der Kalligraph lebt übrigens nach Angaben des Guardian seit einiger Zeit in den USA. Er will nicht mehr über dieses Werk reden:

"It was painful part of my life that I want to forget about."