Mafia-Affäre bringt Sozialdemokraten in Bedrängnis

In Ungarn verhandelte der Sicherheitsamtsleiter 2008 mit einem mutmaßlichen Verbrecherbandenboss über die Beschaffung von Informationen über regierungskritische Medien und konkurrierende Politiker

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 23. und 26. Juni 2008 traf sich der mutmaßliche Mafiaboss Tamás Portik mit dem Sicherheitsamtsleiter Sándor Laborc zu geheimen Gesprächen in Budapester Restaurants. Portik beschwerte sich über den damaligen konservativen Polizeichef Sándor Pinter (der heute Innenminister ist) und schlug eine Kooperation vor, um den drohenden Machtverlust der sozialdemokratischen MSZP abzuwenden. Laborc zeigte sich in diesen Gesprächen nicht nur an Informationen über die direkte politische Konkurrenz interessiert, sondern auch an solchen über Medien, die die Sozialdemokraten kritisierten und sich – so der Sicherheitsamtschef – "als Gerechtigkeitsfanatiker aufführten". Geheimdienstminister György Szilvásy hatte ihm für Verhandlungen darüber angeblich freie Hand gegeben.

Der Plan wurde jedoch entweder nicht weiter verfolgt oder Portik konnte keine brauchbaren Informationen liefern: Die Sozialdemokraten verloren die Wahlen 2010 krachend und der Unterweltsfürst ist heute inhaftiert und wegen Auftragsmorden angeklagt. Laborc hatte allerdings den Fehler gemacht, die Gespräche mit ihm aufzunehmen und zu speichern. In den letzten Wochen gab die seit 2010 amtierende konservative Regierung Transkripte dieser Aufnahmen für die Öffentlichkeit frei – was ihr potenziell nutzt und der Opposition schadet. Außerdem will sie den ehemaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány und dessen Geheimdienstminister György Szilvásy in einem Sicherheitsausschuss und im Parlamentsplenum zu den Aufnahmen befragen.

Gyurcsány, der sich mittlerweile mit einigen Gefolgsleuten von der MSZP abgespalten und die Demokratikus Koalíció (DK) gegründet hat, spricht gegenüber der Presse von "Manipulation". Seine Partei fordert, dass noch mehr Abschriften veröffentlicht werden, weil die Auswahl des Materials einen falschen Eindruck erzeugen könne. In dieser Forderung ist sie sich mit dem Oppositionsbündnis Együtt 2014 und der nationalistischen Jobbik-Partei einig. Letztere begründet den Appell allerdings damit, dass sie erwartet, durch weitere Abschriften noch mehr Material über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Mafia zu finden. Attila Mesterházy, der aktuelle Vorsitzende der MSZP, versucht derweilen eine möglichst große Distanz zu den Vorfällen von 2008 aufzubauen und gibt sich "schockiert".