Man muss Instagram nicht liken

Und was, wenn jetzt plötzlich die Likes auf Instagram verschwinden? Muss der Influencer meines Herzens sich dann vom Dach seines total angesagten Ferien-Ressorts stürzen?

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Einverstanden. So eine herzzerreißende Nachricht ausgerechnet am Jahrestag eines Weltkriegsendes weiterzugeben, ist nicht besonders angebracht. Aber trotzdem: Instagram wird die Likes in den Hintergrund packen. Auf jeden Fall hat das Adam Mosseri, Produktchef beim Fotobrabbler von Facebook, angedeutet. Man experimentiere damit, Like-Zahlen und Followerzahlen von Posts nicht mehr so in den Vordergrund zu rücken. Das sei doch auch gar nicht so wichitg, schließlich gehe es ja um den Content, nicht um diese doofen Likes und so.

Ja, genau, das ist wie wenn man der Hitparadenmusik die Verkaufszahlen und die Chartnotierungen nimmt. Schließlich geht es ja um die Musik, nicht um Ranking. Gott bewahre. Was soll es denn schon für einen Unterschied machen, ob jemand mit Duckface vor einem Swimmingpool von 1000 oder von 100.000 mit einem Herzchen versehen wird. Oder? Eben. Keinen. Es geht doch um die wunderbare Form des Schwimmbeckens und die fantastisch geschwungene Einstiegshilfe im Hintergrund. Nicht um Ruhm und so. Eben.

Das hat, wie gesagt, nichts mit einem Weltkriegsende zu tun, selbst wenn das jetzt 74 Jahre her ist, was eh nicht zum Jubiläum taugt. Aber ein Herzchen hat ja auch nicht immer was mit den Bildern zu tun, die man auf Instagram so findet. Schließlich hatte ich neulich auch das Dilemma, dass eine Bekannte von mir in Japan unterwegs war und Fotos postete. An sich eine schöne Sache. Aber wie soll man auch auf die Aufnahme des einzigen stehengebliebenen Gebäudes in Hiroshima reagieren, das den 6. August 1945 verkohlt, aber zumindest noch aufgerichtet überlebt hat? Mit einem Herzchen auf Instagram ist das immer so eine Sache bei solchen Aufnahmen. Und kein Herzchen ist auch irgendwie falsch.

Es bleibt also nur die Hoffnung, dass Instagram selbst die Zahl und penetrante Fröhlichkeit des Feedbacks ein bisschen nach hinten packt. Insofern soll mir das recht sein. Schließlich sollten wir ja alle Social-Media-Apps viel bewusster wahrnehmen. Und da ist so eine neue Sachlichkeit der App ohne Blick auf Ruhm und Ehre vielleicht ganz sinnvoll.

Aber das ist es natürlich nicht, denn Influencer werden leiden. Wenn nicht mehr sofort jeder sehen kann, dass die neuen – zufällig von Fussballerfrauen – getragenen Schuhe gleich millionenfach gesehen und geliked werden, dann könnten da schon Werbeeinnahmen, die natürlich nur zufällig dabei fließen, den Bach runter gehen. Und das würden die schön gekleideten Influencer auf Instagram gar nicht liken.

Am besten, wir anonymisieren die Posts. Wenn dann richtig. Wer in Zukunft etwas auf Instagram stellt, der trägt zur digitalen Bewusstseinsindustrie am besten dadurch bei, dass er namentlich nicht mehr genannt wird, dass die Reaktionen auf seinen/ihren Post nicht mehr zu sehen sind und vielleicht das Bild auch am besten mit einem schwarzen Balken überklebt wird.

Eigentlich wissen wir ja eh, was drauf zu sehen sein wird. Duckface, Swimming Pool, Schuhe. Kann man sich auch vorstellen.