Meinungsmacher ehren ihren Kandidaten

Am Freitag wird der Boxer und ukrainische Politiker Vitali Klitschko in Potsdam ausgezeichnet. Der M100-Preis führt die "100 wichtigen Medien- und Meinungsmacher" in einem aristokratischen Umfeld zusammen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit zehn Jahren ist Potsdam der Ausrichtungsort eines exklusiven Ereignisses. Das M100 Sanssouci Colloquium führt laut Selbstdarstellung "öffentliche Schlüsselfiguren" mit den "tonangebenden Redakteuren, Kommentatoren und Medienbesitzern" zusammen. Der Beirat des Gremiums liest sich wie ein Who is Who der deutschen Medienlandschaft. Besonders deutlich vertreten ist die Axel-Springer AG. Neben ihrem Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner werden am Freitag auch der Herausgeber der Bild-Gruppe, Kai Diekmann, und Andrea Seibel, die stellvertretende Chefredakteurin der Springer-Zeitung Die Welt anwesend sein.

In diesem Jahr wird der M100 Media Award einem Mann überreicht, den vor allem das Publikum der Bild-Zeitung als aussichtsreichen Kandidaten für das Amt des nächsten ukrainischen Präsidenten kennengelernt hat: der ehemalige Boxer Vitali Klitschko. Das exklusive Gremium will damit einen Mann ehren, der sich für "europäische Verständigung" einsetzt. Zudem soll der Preisträger sich für den Schutz der freien Meinungsäußerung und die Vertiefung der Demokratie eingesetzt haben.

Die Veranstalter nennen jedoch an erster Stelle ein Kriterium, das der diesjährige Preisträger zweifellos erfüllt. Er sei "eine Persönlichkeit, die 'Fußspuren' in der Welt" hinterlassen hat. Diese Anforderung erfüllt der ehemalige Weltmeister im Schwergewicht sowohl im konkreten wie im übertragenen Sinn. Bei einem Gewicht von offiziell 112 Kilo – als Berufspolitiker dürfte es schnell zunehmen – kann sicher davon ausgegangen werden, dass Vitali Klitschko einen tieferen Fußabdruck hinterlässt als die meisten anderen Menschen. Aber auch seine Spuren im Springerblatt Die Welt sind ganz sicher deutlicher als die irgendeines anderen ukrainischen Politikers.

Inwieweit der Kandidat auch die anderen aufgeführten Kriterien erfüllt, soll am Freitag der österreichische Außenminister Sebastian Kurz im Rahmen einer Laudatio erläutern. Dabei kann eines bereits als sicher gelten. Die Veranstalter müssen von einem Europa im engeren Sinne ausgehen, denn der Verständigung mit dem östlichsten europäischen Land – Russland – hat das Vorgehen der jetzigen Regierungsparteien in der Ukraine sicher nicht gedient. Ob eine Koalition mit rechtsradikalen Kräften die Demokratie vertiefte und inwieweit der Bürgerkrieg dazu beiträgt, die freien Meinungsäußerung in der Ukraine zu befördern, diese konkreteren Fragestellungen werden in der feierlichen Atmosphäre im Schloss Sanssouci vermutlich noch weniger thematisiert als von den geladenen Meinungsmachern. Und Meinungsmacherinnen: Auch die Taz wird in Person von Chefredakteurin Ines Pohl anwesend sein.