Michael Haneke gewinnt die Goldene Palme von Cannes!

Blog aus Cannes: Jury um Isabelle Huppert zeichnet nonkonformistische und bilderstarke Filme aus

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Endlich hat Michael Haneke triumphiert. Bei seiner sechsten Teilnahme im Wettbewerb von Cannes gewann der Österreicher die Goldene Palme! Es war eine verdiente Auszeichnung für "Das weiße Band", den ersten Kostümfilm in Hanekes Karriere.

Auch sonst vergab die Jury um Präsidentin Isabelle Huppert überraschend intelligente und vor allem nonkonformistische Preise, bei denen es offenbar konsequent darum ging, ein nonkonformistisches, bilderstarkes Kino auszuzeichnen, das an extremen Erfahrungen interessiert ist. Vor allem das asiatische Kino wurde daher bedacht, den dort findet man schon seit langem die bilderstärksten Filme: Der Regiepreis für den Philippino Brillante Mendoza und seinen Film "Kinatay" war dabei die größte Überraschung. Ein Film, an dem nichts zufällig ist, über einen Tag im Leben eines jungen Mannes.

"Thirst" ("Durst") vom Koreaner Park Chan-wook, der in "Old Boy bereits seine Version von Victor Hugos Rachegeschichte "Graf von Montechristo" geboten hatte, versetzt Emile Zolas Erfolgsroman "Thérèse Raquin" in die Gegenwart - und erzählt ihn als religionskritische Vampirgeschichte, bei der unter anderem ein blutsaugerischer Priester im Zentrum steht. Eine Ehebruchsmelo voll schwarzem Humor, Leichtigkeit und inszeniert in atemberaubenden, dick aufgetragenen Bildern.

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"Thirst" (Bild: Focus Features)

Das genaue Gegenteil, eine subtile und ganz naturalistische Studie aus dem China von heute, ist "Spring Fever" vom Chinesen Lou Ye. Angesiedelt in der alten Kaiserstadt Nanjing geht es darin um eine Vierecksliebesgeschichte. "Spring Fever" dürfte in China selbst zuhause verboten werden - allzu freizügig ist der Sex und insbesondere die Darstellung der Homosexuellenszene in China. Da zeigt der Film etwas, das man noch nicht kannte. Wirklich bestechend ist aber Lou Yes Blick auf die Welt überhaupt: Nichts wird psychologisiert, dafür das Leben gezeigt, sehr nahe, sehr echt, voller Sinn für kleine Schönheiten und voller Gefühl für Rhythmus und Musik. Kino als sinnliches Vergnügen.

Die Darstellerpreise gingen an Charlotte Gainsbourg ("Antichrist") und Christoph Waltz ("Inglourious Basterds"), weitere Auszeichnungen gingen an die Britin Andrea Arnold ("Fish Tank") und an den Franzosen Jacques Audiard ("Un prophete").