Nahost-Quartett mildert Bericht über israelische Siedlungspolitik ab

Mitglieder reagieren damit auf Druck aus Israel. Größerer Einfluss der Regierung Netanjahu in Europa. Palästinenser nur schwach vertreten

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Israels Regierung hat nach Medienberichten Druck auf die Mitglieder des Nahost-Quartetts ausgeübt, um einen Bericht zur Situation im Konfliktgebiet an entscheidenden Stellen zu entschärfen, an denen es um die Siedlungs- und Besatzungspolitik der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geht. Nach einem Bericht des Bürochefs der Nachrichtenagentur Reuters für Israel und Palästina, LukeBaker, haben die Quartett-Mitglieder – USA, EU, UNO und Russland – die Veröffentlichung des Reports zunächst mehrere Wochen verzögert. Sie reagierten damit auf die direkte Intervention Netanjahus, so Baker. Dieser hatte sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin, US-Außenminister John Kerry und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini getroffen. Das Quartett habe die Kritik an der Siedlungspolitik Israels daraufhin "extrem abgemildert".

In dem vor allem in diplomatischen Kreisen mit Spannung erwarteten Bericht fordert das Nahost-Quartett Israel auf, den Bau von Siedlungen in den besetzen palästinensischen Gebieten zu beenden. Israel untergrabe damit stetig die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung, heißt es in dem Report der Vierergruppe. In einer Vorabfassung kritisieren die Autoren unter anderem, dass mindestens 570.000 Israelis in den palästinensischen Gebieten angesiedelt worden sind. Dieser Trend nehme weiter zu. Zugleich würden Palästinensern in den eigenen Gebieten immer weniger Genehmigungen zum Bau von Wohnungen erteilt.

Reuters-Korrespondent Baker verweist darauf, dass der israelische Siedlungsbau in besetzten Gebieten gemäß völkerrechtlicher Bestimmungen von Nahost-Quartett zunächst als illegal bezeichnet wurde. In der Endfassung wird er nur noch kritisiert.

Die palästinensische Seite habe wütend auf die Entschärfung des Reports reagiert, schildert Baker, der den Erfolg der israelischen Linie auf die Reisediplomatie Netanjahus zurückführt. Auch wenn Diplomaten hinter vorgehaltener Hand die Position der palästinensischen Regierung teilen, wolle sich niemand offen mit Israel anlegen, zitiert er einen namentlich nicht genannten europäischen Diplomaten. Dies liege auch an den zunehmenden wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Israel und Mitgliedsstaaten der EU. Vor einigen Jahren habe die israelische Regierung nur die Rückendeckung aus Berlin, London und Prag gehabt. Inzwischen unterhalte sie gute Kontakte mit Italien, Großbritannien, Zypern, Griechenland, Österreich und Ungarn. Die palästinensische Seite sei auf dem internationalen Parkett weit weniger vertreten, was auch an den internen Kämpfen zwischen Hamas und Fatah sowie der schwachen Rolle des inzwischen 81-jährigen Mahmud Abbas liege.

Das Resultat der israelischen Politik aus Beschwichtigung und Expansion wurde nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des weichgespülten Berichtes des Nahost-Quartetts deutlich. Mitte dieser Woche warf die US-Regierung in Washington Israel vor, durch die Besetzung weiterer Gebiete im Westjordanland die Chancen auf einen dauerhaften Frieden in der Region zu schwächen. Zuvor hatte die israelische Genehmigung den Bau von 560 weiteren Wohnungen in den besetzten Gebieten genehmigt.