Neues Sparprogramm für Portugal beschlossen

Die Regierungskrise ist vertagt, die Risse in der konservativen Regierungskoalition wurden nur übertüncht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Alle Hoffnungen der Rentner in Portugal lagen für Rosário Gama in den portugiesischen Liberalkonservativen. Doch die Präsidentin der Vereinigung von Rentnern und Pensionisten (APRe!) wurde von der CDS – PP (Demokratisch Soziales Zentrum – Volkspartei) massiv enttäuscht. Sie ist im Streit um eine Sonderabgabe für Rentner mit den Sozialdemokraten (PSD), real eine konservative Partei, am späten Sonntag umgefallen. Auf einer langen Sondersitzung hat die CDS-PP dem sogenannten "Nachhaltigkeitsfaktor" gegen ihre Ankündigungen "ausnahmsweise" zugestimmt, um einen Regierungskrise zu verhindern. Für Gama hat die Regierung damit ihr Ende bestimmt. Vor der Kabinettsitzung hatte die APRe!-Präsidentin erklärt: "Entweder fallen die Sparpläne oder es stürzt die Regierung."

Die CDS-PP hatte durch Außenminister Paulo Portas zuvor verkündet, mit der Abgabe werde eine "rote Linie" angesichts der Lage vieler Rentner überschritten. Nun versucht sie sich auf die Fahnen zu schreiben, dass die Abgabe nur solange erhoben werden soll, bis ein Ersatz gefunden ist. Woher der kommen soll, weiß auch Portas nicht. Ob die Maßnahme, die jährlich eine halbe Milliarde Euro in die leeren Kassen spülen soll, nicht erneut vom Verfassungsgericht gekippt wird, ist auch unklar. Schon zwei Mal haben die höchsten Richter Rentenkürzungen oder die Besteuerung von Kranken- oder Arbeitslosengeld gekippt, weshalb im Haushalt 2013 ein Loch von 1,3 Milliarden Euro klaffte. Das Gericht bescheinigte den Konservativen ein "Suchtverhalten" bei Verfassungsverstößen.

Ministerpräsident Pedro Passos Coelho (PSD) versucht sich weiter gegenüber der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) als Musterschüler bei der Umsetzung von deren Sparauflagen zu präsentieren. Troika-Kontrolleure waren gerade zur Prüfung im Land, aber die neuen Sparpläne gehen weit über die 1,3 Milliarden Euro hinaus. Bis 2016 sollen weitere 4,7 Milliarden Euro eingespart werden, damit die nächste Tranche aus dem Hilfspaket im Umfang von zwei Milliarden Euro ausgezahlt wird.

Die Prüfung musste schnell abgeschlossen und das Paket noch am Sonntag im Kabinett verabschiedet werden, weil Finanzminister Vítor Gaspar die Prüfergebnisse und die Sparpläne am Montagnachmittag den Euro-Finanzministern in Brüssel vorstellen wollte. Er hofft, dass die europäischen Partner nun auch die Verschiebung der Rückzahlung der Hilfskredite im Umfang von 78 Milliarden Euro definitiv beschließen. Eigentlich sollten die Rückzahlungen 2014 beginnen.

Geplant ist zudem, weitere 30.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. Die Wochenarbeitszeit soll zur Kompensation von 35 auf 40 Stunden erhöht und das Renteneintrittsalter von 65 auf 66 Jahre angehoben werden. Damit will das Land das Haushaltsdefizit 2013 auf 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 2014 auf 4% zu senken. 2015 soll die Stabilitätsmarke von 3% wieder eingehalten werden.

Dass das gelingt, wenn der Austeritätskurs verstärkt wird, bezweifeln immer mehr Experten. Auch in der Regierungskoalition ist dies umstritten, denn Portugal rutscht immer tiefer in die Rezession. Trotz des Sparkurses stieg das Defizit 2012 sogar wieder um zwei Punkte auf 6,4 Prozent. Eigentlich waren 4,5 Prozent geplant. Weil das Land trotz Einhaltung der Auflagen scheitert, passt die EU-Kommission sie immer wieder an. Neu ist aber, dass sich das Land wegen der Rekordarbeitslosigkeit von den Zielen sogar wieder entfernt hat und die Staatsverschuldung auf enorme 124 Prozent gestiegen ist.

Die Kritik an immer neuen Sparplänen kommt aber nicht nur von Rentnern. Auch Gewerkschaften und die gesamte linke Opposition haben schon Widerstand angekündigt. Das Land strebt auf einen massiven Generalstreik zu, da die Regierung nun auch die zerstrittenen Gewerkschaftsverbände vereint gegen sich aufbringt. Ob Coelho die Sparpläne angesichts des immer breiteren Widerstands und geplanten Massendemonstrationen am Monatsende durch das Parlament bringt, ist unsicher. Der Unmut ist nicht nur in der CDS-PP groß, sondern auch in seiner PDS lehnen immer mehr Parteigänger den rigiden Sparkurs ab, weil die versprochenen Erfolge ausbleiben. Auch sie gehen davon aus, dass nur über Wachstum und den Abbau der Arbeitslosigkeit, die Schulden abgebaut werden können.