Nordkorea beschießt südkoreanische Insel

Motive und Hintergründe der Provokation sind noch unklar; Südkorea in höchster Alarmbereitschaft

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Die Grenzgewässer im Gelben Meer zwischen Nord-und Südkorea waren auch in der Vergangenheit öfter Schauplatz von Gefechten; Nordkorea erkennt die von den UN nach dem Koreakrieg (1950-1953) gezogene Grenzlinie nicht an. Der aktuelle Beschuss der südkoreanischen Insel Yeonpyeong durch angeblich 200 nordkoreanische Granaten, der zu Gegenfeuer seitens der Südkoreaner führte, wird in den heutigen Nachrichten als einer der "schwerwiegendsten Zwischenfälle" seit 1953 bewertet.

Südkorea hat seine Armee und insbesondere Kampfflugzeuge in höchste Alarmbereitschaft versetzt; Nordkorea hat bislang noch keinen Kommentar zu dem Angriff abgegeben, der nach Informationen von BBC einen südkoreanischen Soldaten getötet, zwei weitere Soldaten sowie zwei Zivilisten verletzt und mehrere Häuser in Brand gesteckt hat. Auf der Insel leben 1.600 Menschen, vorwiegend Fischer, heißt es.

Über die Motive und Hintergründe der Provokation gibt es wie üblich nur Spekulationen. So wird ein Zusammenhang mit einem großen südkoreanischen Militärmanöver, dessen Namen englisch mit "Safeguarding the Nation" übersetzt wird, unter Beteiligung von 70.000 Soldaten (angeblich auch einige amerikanische Truppen), hergestellt - u.a. auch vom südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak. Die Übung wurde nach Angaben der New York Timesvon der nordkoreanischen Führung scharf kritisiert. Dort werde sie als "Simulation einer Invasion" gesehen und "als Mittel, um einen Krieg zu provozieren".

Erwähnt werden darüber hinaus Spannungen, die durch die kürzliche Entdeckung einer neuen, großen Urananreicherungsanlage ("ultra-modern", "hundreds and hundreds of centrifuges", so der Bericht eines amerikanischer Wissenschaftlers und Augenzeugen) in Nordkorea ausgelöst wurden. US-Vertreter hatten in diesem Zusammenhang damit gedroht, weitere Verhandlungen mit Nordkorea auszusetzen. Laut Experten, die in westlichen Medien zitiert werden, benötigt Nordkorea dringend Nahrungsmittelhilfe.

"They’re in a desperate situation and they want food immediately, not next year."

Ergänzung

Dass Nord-Korea mit der Aktion auf Verhandlungen zielt, ist auch die Interpretation, die in zwei Hintergrund-Berichten ( hier und hier) der oft gut informierten Asia Times (Danke den Lesern an dieser Stelle) aufscheint.

Experten, die dort zu Wort kommen, betonen, dass Nordkorea die Sechs-Parteien-Gespräche (Nord-und Südkorea, China, Japan, die USA und Russland) über sein Atomprogramm wieder in Gang bringen will - "Und zwar zu seinen Konditionen". In der jüngsten Vergangenheit hätten demnach Südkorea und die USA Nordkorea "falsch" behandelt. Südkorea hätte dem nördlichen Nachbarn die "kalte Schulter" gezeigt und unakzeptable Bedingungen gestellt, indessen die USA völlig auf eine "Sticks-and Carrot"-Politik gesetzt hätten, die bei aller Härte aber gleichzeitig signalisierte, dass Nordkorea kein prioritäres Thema sei. Auch bei den jüngsten Enthüllungen zur Uranaufbereitungsanlage, die ja einem amerikanischen Besucher gezeigt wurde, hätte sich ein Muster offenbart, das deutlich mache, dass Nord-Korea nicht so sehr die Konfrontation, sondern ein Gespräch suche:

"North Korea has repeatedly expressed that it wants dialogue with the US and it wants the six-party talks to resume. But the US and South Korea have not been forthcoming. So, North Korea is pressuring them to come to the talks." Cui Zhiying, Direktor des Korean Peninsula Research Office am Asia-Pacific Forschungszentrum der Tongji Universität in Shanghai