Nur konstruktive Kritik ist nicht strafbar

Ägypten: Krieg gegen Journalisten

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Ein Wort genügt und die elementarsten Grundrechte lösen sich in Nichts auf, dafür trommeln Schläge auf den Gejagten ein. Das Wort heißt "al-Jazeera" und die Gejagten sind Journalisten, denen, wie jüngsten Berichten ( hier und hier und hier) zu entnehmen ist, nicht klar ist, wen sie mehr zu fürchten haben: die entrüstete Meute, aus welcher mit dem Ruf „al-Jazeera“ zur Attacke gerufen wird oder die Polizei.

Mittlerweile können in Ägypten nicht nur Angehörige und Sympthasianten der Muslimbrüder strafrechtlich mit dem Vorwurf des Terrorismusverdachtes verfolgt werden, sondern auch Journalisten. 20 Journalisten, die für den katarischen Sender berichtet haben, wurden vergangene Woche von der Staatsanwaltschaft u.a. wegen Terrorismus angeklagt: vier ausländischen Journalisten wird vorgeworfen, dass sie Falschinformationen verbreitet hätten und 16 ägyptischen Journalisten sind der Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung, gemeint ist die MB, angeklagt und darüberhinaus, dass sie Terrorismus als Mittel für die Erreichung ihrer Ziele eingesetzt hätten. Ihre Gemeinsamkeit: Alle arbeiteten sie für den Sender al-Jazeera, dessen Kairoer Büro in der Zeit nach der Absetzung Mursis von den Sicherheitsbehörden geräumt wurde.

Zwei der im vergangenen Jahr verhafteten Journalisten von Al Jazeera English sitzen, zeitweise in Einzelhaft unter brutalen Bedingungen, im Hochsicherheitstrakt des Tora-Gefängnisses, wo sonst Dschihadisten und Militante inhaftiert sind, berichtet die Website Mada Masr unter dem Titel "War on Journalists".

Was dort zur Sprache kommt, wird auch von einem Bericht des New Yorker bestätigt: Laut neuen, vage formulierten Richtlinien , formuliert auf der Grundlage des Anti-Terrorismus-Gesetzes des Innenministerium, kann allein schon das Publizieren eines Gespräches mit einem Mitglied der Muslimbrüder als Straftat bewertet werden.

Zwar gab der staatliche Informationsbehörde bekannt, dass das ägyptische Gesetz den bloßen Kontakt mit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, noch nicht als strafbar wertet. Allerdings gelte dies nicht, wenn der Kontakt in irgendeiner Weise als Unterstützung gewertet werden kann. Man erkennt die Spielräume für die Behörden - und die Risiken der Journalisten - , die in solchen Formulierungen stecken. Wie beruhigend, dass, wie der New Yorker ergänzend dazu mitteilt, die Behörde den Journalisten versicherte, dass "konstruktive Kritik" nicht strafbar gemacht würde.

Auf der Grundlage des Artikels 21 des neuen Anti-Terror-Gesetzes wird jeder, der „direkt oder indirekt Terrorakte fördert, sei es mündlich oder schriftlich oder durch Medien, durch Briefe oder Webseiten, die anderen zugänglich sind, mit Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann“.

Die neue Verfassung selbst, die im Januar mit großer Mehrheit von der ägyptischen Bevölkerung in einem Referendum angenommen wurde, wurde auch in Deutschland als fortschrittlich bewertet:

"Die neue Verfassung, dem die Ägypter nun ihre Mehrheit gegeben haben, hat Mängel, ist aber trotzdem ein Fortschritt. Nach einem chaotischen Entstehungsprozess garantiert sie dem Land nun Grundrechte wie Versammlungs- und Pressefreiheit."