Parlament treibt Machtwechsel in der Ukraine voran

Die frühere Regierungschefin Timoschenko wird freigelassen; eine neue Regierung, die ihr nahesteht, vom Parlament bestimmt. Die Polizei in Kiew stellt sich hinter die Opposition. Aus dem Osten des Landes kommen andere Signale

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Die Ereignisse in der Ukrainie überschlagen sich. Präsident Janukowitsch hat die Hauptstadt verlassen, das "Volk" geht jetzt seine Villa anschauen, um zu begutachten, in welchen Verhältnissen er bis heute gelebt hat. Die Polizei ist laut Mitteilung des Innenministeriums nun auf die Seite des Protestlagers gewechselt. Man wünsche "rasche Veränderung", wird das Ministerium in westlichen Rundfunksendern zitiert. Das Parlament hält sich an die Vorgabe und traf bis mittags eine wichtige Entscheidung nach der anderen.

So wurde zuletzt entschieden, dass die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko aus dem Gefängnis freikommt, ohne dafür die Erlaubnis des Präsidenten abzuwarten. Sie wird auf dem Maidan-Platz erwartet, allerdings dürfte die Freilassung aus dem Gefängnis in Charkow praktisch nicht so leicht vonstatten gehen, wie ihre Tochter zitiert wird. Timoschenkos politischer Freund, Alexander Turtschinow, ist nach einer früheren Mehrheitsentscheidung des Parlements neuer amtierender Ministerpräsident. Auch einen neuen Innenminister gibt es: Arsen Awakow, der nun als Chef der Polizei agiert. Auch er soll Timoschenko nahestehen. Der bisherige Generalstaatsanwalt wurde abgesetzt.

In Charkow, wo sich Präsident Janukowitsch angeblich aufhält, tagte ein Kongress der regierenden Partei der russisch-sprachigen Ost-und Südukraine mit über 3.000 Delegierten. Verabschiedet wurde eine Resolution, die sich gegen die Ereignisse in der Haupstadt stemmt: Die Macht im Süden und Osten des Landes solle demnach der örtlichen Selbstverwaltung übertragen werden. Mit dem Zusatz, dass man sich der zentralen Macht in Kiew nur dann unterordnen werde, wenn diese auf dem Boden der Verfassung stünde.

Zurzeit arbeite die Werchowna Rada "unter den Bedingungen des Terrors und der Drohung mit Waffen." Die unter diesen Bedingungen angenommenen Entscheidungen des Parlaments weckten "Zweifel hinsichtlich der Legitimität und der Gesetzlichkeit" (Ulrich Heyden). Nun kommt vieles darauf an, wie sich das Militär verhalten wird.

Währenddessen fordert die Opposition in Kiew vom Parlament die Absetzung von Janukowitsch und vorgezogene Wahlen.Angeblich soll das Parlament nach der Mittagspause wieder zusammentreten und über ein Amtsenthebungsverfahren abstimmen.