Pferdefüße

Auch vermeintliche Ökomusterknaben haben noch einen langen Weg zu gehen, bis sie ihren Beitrag zum Klimaschutz geleistet haben

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Norwegen hat einen 300 Seiten starken Bericht vorgelegt, der im Detail beschreibt, wie das Land sein Ziel erreichen will, bis 2020 seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 30 Prozent zu reduzieren. Das geht aus einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hervor. US-Umweltschützer, die allen Grund haben, von der Klima- und Energiepolitik ihres neuen Präsidenten schwer enttäuscht zu sein, sind ganz aus dem Häuschen angesichts dieser Reduktionsziele und übersehen großzügig die diversen Pferdefüße des Plans:

  1. Norwegen hatte 1990 50 Millionen Tonnen Treibhausgase jährlich ausgestoßen. Mit Treibhausgasen sind hier CO2 und einige andere Gase gemeint, die in CO2-Äquivalenten umgerechnet werden. Derzeit betragen die norwegischen Emissionen sogar 54 Millionen Tonnen. Die Kyoto-Verpflichtungen, nach dem im Mittel der Jahre 2008 bis 2012 nur noch 46 Millionen Tonnen ausgestoßen werden dürfen, wird das Land nur dadurch gerecht, dass es auf seine Biosphäre verweist, die große Mengen CO2 aufnimmt. Einige Industriestaaten hatten diesen Trick seinerzeit in den Verhandlungen in Kyoto durchgesetzt.
  2. Die nun vorgesehenen Maßnahmen beinhalten unter anderem auch Aufforstungsmaßnahmen. Kiefernwälder sollen CO2 aufnehmen. Ob derlei als Klimaschutzmaßnahme gelten darf, ist unter Fachleuten strittig. Fraglich ist nämlich, wie lange das CO2 der Atmosphäre entzogen bleibt. In einem wärmeren Klima können Wälder durchaus auch zu Quellen des Treibhausgases werden, etwa, weil in einem wärmeren Klima die Aktivität der Bakterien und Pilze im Boden zunimmt und dadurch totes organisches Material schneller zersetzt wird. Außerdem stellen Bäume unter Trockenheitsstress das Wachstum weitgehend ein
  3. Bis zu einem Drittel der Reduktion wird nur auf dem Papier stehen, denn dieser Teil soll erreicht werden, indem Emissionszertifikate aus anderen Ländern gekauft oder Projekte finanziert werden, die in Entwicklungsländern Emissionen vermeiden.
  4. 70 Prozent von 50 Millionen sind immer noch 35 Millionen oder 7,5 Tonnen pro Kopf. Das ist immer noch meilenweit von den 1,5 bis maximal zwei Tonnen pro Kopf und Jahr CO2 entfernt, die langfristig für das Klimasystem verträglich sind. Aber die Norweger stehen damit keinesfalls allein da. Die USA werden, wenn es ihnen gelingt, ihre Emissionen bis 2020 wieder auf das Niveau von 1990 zurückzufahren, wie Obama versprochen hat, noch immer ein Pro-Kopf-Ausstoß von rund 16,5 Tonnen pro Kopf. Hierzulande hat die Regierung bis 2020 eine Reduktion um 40 Prozent versprochen, was aber immer noch auf 7,4 Tonnen pro Kopf und Jahr hinauslaufen wird, bzw. 8,9 Tonnen pro Kopf und Jahr, wenn alle Treibhausgase berücksichtigt werden.