Piraten auf Atomkurs?
In der jungen Partei formiert sich offensichtlich eine Gruppe von AKW-Freunden. Ob sie Aussicht haben, im nennenswerten Ausmaß Anhänger zu finden?
Da fragt man sich, welcher Teufel die Piratenpartei geritten hat. In den Reihen des jüngsten Lieblings aller Protestwähler hat sich offenbar eine Gruppe formiert, die den Ausstieg aus der Atomkraftnutzung gerne zurück genommen sehen würde. "Ausstiegskritische Nukleria" nennt sie sich und hat im Wiki der Piratenpartei bereits ihre eigene Seite eingerichtet.
Die dort aufgeführten Argumente sind die altbekannten. Zum Beispiel heißt es, dass der "Atomausstieg führt zu einem massiven Ausbau fossiler Kraftwerke (Kohle, Gas, Öl)" führe, "was wir uns wegen des bereits in Gang gekommenen Klimawandels keinesfalls leisten können". Das stimmt natürlich nur, wenn der Ausbau der Erneuerbaren verzögert wird. Faktisch ist es aber so, dass einerseits bereits in den 1990ern, während in Deutschland noch fast 20 AKW liefen, nirgendwo sonst in Europa so viele Kohlekraftwerke gebaut wurden wie hierzulande. Andererseits sind aber in den letzten Jahren meist wegen zum Teil massiver lokaler Proteste immerhin 16 Kraftwerksprojekte gescheitert.
Auch das derzeit beliebteste Argument der AKW- Freunde darf nicht fehlen: "Der Atomausstieg macht Deutschland zu einem Stromnettoimporteur." Komisch nur, dass Deutschland zu Zeiten, als der Atomstromanteil noch bei 27,7 bis 30,8 Prozent lag, nämlich in den 1990ern, oft mehr Strom ein- als ausgeführt hat, wie obige Grafik zeigt. 1996 betrug der Atomstromanteil zum Beispiel 29,2, im folgenden Jahr gar 30,8 Prozent. Trotzdem war Deutschland in diesen Jahren Nettoimporteur.
Im übrigen ist Deutschland auch in diesem Jahr bisher noch nicht zum Nettoimporteur geworden, was unter anderem am starken Zuwachs beim Solar- und Windstrom liegen dürfte. Vom Januar bis August wurden nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) trotz der Abschaltung von sechs weiteren AKW (Krümmel und Brunsbüttel standen ohnehin schon seit Jahren still) 2,3 Milliarden Kilowattstunden exportiert. (Dank an den Leser für den Link.)
Fragt sich, was hinter all dem steckt. Toben sich da ein paar unterbeschäftigte Kernphysiker aus? Suchen vielleicht arbeitslose Lobbyisten ein neues Betätigungsfeld? Oder hat sich bei den Konkurrenten der Piraten, denen sie in letzter Zeit Wählerstimmen abgejagt hatten, jemand etwas besonders Raffiniertes ausgedacht, um die junge Partei zu diskreditieren?