Portugal verramscht Miró-Kunstwerke, um Defizit zu senken

Ein Einspruch wurde verworfen, mit dem die Opposition eine "Plünderung" von Staatseigentum verhindern wollte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nun kann die Versteigerung von 85 Kunstwerken des katalanischen Künstlers Joan Miró doch noch stattfinden. Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Auktion im Londoner Auktionshaus Christie's hat das Verwaltungsgericht in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon am Dienstag verworfen. Die Aussetzung hatte die Generalstaatsanwaltschaft am Montag nach einer "Prüfung der Argumente" empfohlen. Fünf Parlamentarier der oppositionellen Sozialisten (PS) hatten sich in der vergangenen Woche an die Staatsanwaltschaft gewandt. Die Gruppe, zu der auch die frühere Kultusministerin Gabriela Canavilhas gehört, hatte von einer "Plünderung" des Staatseigentums gesprochen und "illegale Vorgänge" angezeigt.

Da das Gericht diese Vorwürfe nun verworfen hat, hätte die Versteigerung unter dem Namen "The Art of the surreal" stattfinden können, die für die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch geplant war. Doch Christie's sagte sie kurz zuvor aufgrund von "juristischen Unsicherheiten" ab. So werden 84 Gemälde Zeichnungen und Kollagen sowie eine Skulptur eines der wichtigsten Vertreter der abstrakten Richtung des Surrealismus zunächst nicht versteigert. Sie sollten dem Staat knapp 37 Millionen Euro in die leeren Staatskassen spülen, was über Wochen für hitzige Debatten in Portugal gesorgt hatte.

Die Kritik an dem Verkauf des Tafelsilbers war vielfältig und der Versuch der kommunistischen und sozialistischen Opposition die Versteigerung über das Parlament zu stoppen, scheiterte an der absoluten Mehrheit der konservativen Regierungskoalition unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Die frühere Kultusministerin Canavilhas meint, die Kunst werde "schlechter behandelt als ein Hund". Sie kritisiert, dass Kunstwerke in Rettungszeiten nur noch als Ware betrachtet würden und nun noch dazu dienten, vor dem geplanten Ausstieg aus dem Rettungsschirm das Defizit kurzfristig aufzubessern.

Andere Parlamentarier kritisieren, dass über die Versteigerung der Kunstwerke als Gesamtpaket nur eine "lächerliche" Summe einbringen werde und mit einer Versteigerung der einzelnen Werke viel höhere Einnahmen erzielt werden würden. Erinnert wird daran, dass das Auktionshaus Christie's den Wert der Sammlung schon 2008 auf 80 Millionen Euro beziffert hatte. Portugiesische Künstlergruppen kritisierten, dass ein Kunstschatz verhökert werde, den Christie's als "eines der teuersten und beeindruckendsten Angebote von Werken des Künstlers" anpreise, die jemals versteigert wurden.

Im Land hatten Künstler auch mit Unterschriftenaktionen versucht zu verhindern, dass die Kunstwerke des 1983 verstorbenen Miró unter den Hammer kommen. Vorgeschlagen wurde, die beeindruckende Sammlung im Land auszustellen, womit in nur zwei Jahren die gleiche Summe eingenommen werden könne, die über die Versteigerung erwartet wird. In einem Tourismusland wie Portugal würden die Werke besonders viel Reichtum generieren, meint die museologische Gesellschaft APOM. Das Staatseigentum wurde der Bevölkerung vorenthalten und bisher niemals im Land ausgestellt.

Die Kunstwerke gelangten über die Verstaatlichung "Banco Portugués de Negocios" (BPN) in Staatsbesitz. Die Bank wurde mit Steuermilliarden 2008 vor der Pleite gerettet. Mit den Bankenrettungen explodierten aber auch in Portugal das Haushaltsdefizit und die Schuldenlast. Letztere ist trotz Privatisierungen – darunter auch das Stromnetz und die Flughäfen - auf 211 Milliarden Euro gestiegen. Das sind 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und weit über dem Stabilitätsziel von 60 Prozent. Es wurde längst ein Wert erreicht, den das Land nach Einschätzung von Experten trotz gesunkener Zinsen nicht zurückzahlen kann. Portugal will nach Irland im Juni nun aus dem Rettungsschirm aussteigen und sich wieder über die Kapitalmärkte refinanzieren.