Protest gegen Agrarsprit

Am Welthungertag machen verschiedene Organisationen in Berlin auf die wachsende Misere aufmerksam.

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Der Welthandel expandiert seit Beginn der 1990er Jahre im raschen Tempo. Von 2002 bis 2006 hat er sich nahezu verdoppelt. Die Weltwirtschaft ist in den letzten Jahren so rasch wie seit Beginn der 1970er Jahre nicht mehr gewachsen. Doch wer glaubt, das gehe mit einem steigenden Wohlstand der Menschheit einher, dem sei ein Blick in ein Berliner Arbeitsamt oder in die Zahlen der UN-Organisation für Landwirtschaft und Nahrungsmittel FAO empfohlen.

Zu Beginn der 1990er Jahre litten weltweit 842 Millionen Menschen Hunger, zwischen 2003 und 2005 waren es 846 Millionen, also Stagnation auf hohem Niveau. Bisher. Seit knapp zwei Jahren hat sich die Lage jedoch dramatisch verschlimmert. 2007 hungerten bereits 923 Millionen Menschen und in diesem Jahr rechnet die FAO nochmals mit einer Zunahme um 75 Millionen. Täglich sterben 25.000 Menschen an den Folgen der Unterernährung und allein am heutigen Welthungertag werden 13.700 Kinder verhungern.

"Der verheerende Effekt der hohen Nahrungsmittelpreise auf die Zahl der Hungernden verdichtet sich zu einem sehr besorgniserregenden Langfrist-Trend", meint der stellvertretende FAO-Generalsekretär für Wirtschaftliche und Soziale Entwicklung, Hafez Ghanem. “Während die Welt reicher wird und mehr Nahrungsmittel als je zuvor im letzten Jahrzehnt produziert wächst der Hunger."

Einer der Gründe für den Preisanstieg ist die zunehmende Umwandlung von Nahrungsmitteln in Treibstoffe. Rund zwei Prozent des weltweiten Kraftstoffverbrauchs wächst inzwischen auf den Äckern. Vor diesem Hintergrund haben verschiedene Umweltorganisationen und Entwicklungspolitische Gruppen heute gegen die Förderung des Agrarsprits durch EU und Bundesregierung protestiert.

Kritisiert wurde unter anderem die Förderung von Monokulturen, der Abholzung des Regenwaldes und des Großgrundbesitzes in Entwicklungsländern. "Der Agrospritboom ist der Gipfel einer völlig verfehlten Agrarpolitik," meint Jutta Sundermann von ATTAC. "Zusammen mit der Forderung nach Marktöffnungen, Exportsubventionen, Lebensmittelspekulation und der Begünstigungen der großen Agrarkonzerne zementiert Agrosprit den Hunger und gibt ländlicher Entwicklung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, keine Chance." Gefordert wurde "eine Verkehrspolitik, die sich an drastischen Einsparungen von Energie und Treibhausgasen orientiert sowie eine sofortige Streichung aller verbindlichen Beimischungsziele und Subventionen von Agrosprit in Deutschland und der EU."

Die FAO steht den Agrartreibstoffen mit gemischten Gefühlen gegenüber. Alles hänge von den konkreten Bedingungen ihrer Einführung ab. Einerseits böten sie für einige Entwicklungsländer eine große ökonomische Chance. Andererseits würden sie erhebliche Gefahren für die Sicherung der Ernährung der Bevölkerung bedeuten. Besonders die städtischen Armen und jener Teil der ländlichen Bevölkerung, der sich nicht selbst versorgen kann, seien durch die hohen Preise bedroht.

Nach Ansicht der FAO brauchen die von der Ernährungskrise besonders hart betroffenen Länder, die meisten davon in Afrika, mindestens 30 Milliarden US-Dollar jährlich um die Ernährung der Bevölkerung sicher zu stellen und die lange vernachlässigte Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Das Hilfspaket, das die Bundesregierung gerade für Ackermann und seine Freunde geschnürt hat, würde also für knapp 20 Jahre reichen und könnte einen großen Teil des Hungers aus der Welt schaffen.