Psycho-Krisenbekämpfung erklimmt neue Höhen

US-Finanzminister Geithner behauptet, der Stress-Test habe ergeben, keine Großbank stehe vor der Insolvenz

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Die Regierung unter Barack Obama will heute nach Börsenschluss an der Wall Street das Ergebnis ihres Stress-Tests veröffentlichen. Doch Finanzminister Timothy Geithner preschte trotz ständiger Hiobsbotschaften über den enormen Kapitalbedarf der Großbanken schon am Mittwoch vor. Er behauptete, keinem der 19 geprüften Institute drohe die Zahlungsunfähigkeit. Geitner wagte sogar die Vorhersage, dass sich die große Mehrheit der Banken in den kommenden sechs Monaten genügend privates Kapital beschaffen könne. Er wirkte damit den Berichten entgegen, dass einige Banken beim Stresstest durchfallen.

Doch dass die vielen Milliarden wirklich über den privaten Kapitalmarkt kommen können, bezweifelt auch Geithner. Deshalb rechnet das Wall Street Journal ohnehin nur mit einer Summe von 65 Milliarden US-Dollar, weil der Großteil des Kapitalbedarfs bei der Citigroup, der auf 50 Milliarden beziffert wird, wohl vom Staat kommt. Die einst weltgrößte Bank will ihr Kapital durch die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien und den Verkauf von Firmenteilen erhöhen, womit angeblich nur noch etwa 5 Milliarden an Kapital benötigt würden. Doch faktisch ist das der Weg der Verstaatlichung der Citigroup, weil sich der Staatsanteil auf über 50 % erhöhen dürfte.

Ähnlich krass ist die Lage bei der Bank of America (BoA). Die Bank, die schon 45 Milliarden staatliche Hilfsgelder erhalten hat, habe einen weiteren Kapitalbedarf von 34 Milliarden. Das ist deutlich mehr ohnehin erwartet, obwohl sie angeblich ein gutes Quartalsergebnis ausgewiesen hat. Wells Fargo, eine weiteres Institut, dass sich positive Quartalszahlen herbeigerechnet hat, braucht zwischen 13 und 15 Milliarden, GMAC brauche 11 – 12 Milliarden … Ohnehin dürfte der Teufel im Detail liegen, weshalb Geithner den Börsianern reale Daten erst nach Börsenschluss zur Verfügung stellen will, um keinen Kurssturz zu provozieren.

Es sei auch daran erinnert, dass der Stress-Test wohl gar keiner ist. Denn es gibt kein Szenario, das eine Rezession untersucht, die "tiefer und länger" ausfällt. Das Worst-Case-Szenario ist real eher ein Best-Case-Szenario, denn das "nachteilige Szenario" geht von einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung für 2009 von 3,3 % aus. Für 2010 wird schon wieder ein Wachstum von 0,5 % angesetzt, wobei die Arbeitslosenquote nur auf 8,9 Prozent steigen werde.

Doch tatsächlich schrumpfte die US-Wirtschaftsleistung im ersten Quartal mit 6,1 % noch deutlich stärker als ohnehin mit 4,7 % erwartet. Die Arbeitslosenquote lag schon bisher auf einem 25-Jahreshoch von 8,5 % und dürfte schon im April die 8,9 % aus dem schlimmsten Stress-Test-Szenario fast erreichen. So gibt es zwar Schönredner, doch die Aussagen wie die des Notenbankchefs Ben Bernanke, der auf eine baldige Erholung hofft, sollte man mit Vorsicht genießen, denn der hat sich in der Krise bisher als schlechter Analyst herausgestellt und kämpft derzeit um seinen Job. Es ist erstaunlich, dass schon gefeiert wird, dass "nur" eine halbe Million Menschen im April ihren Job verloren haben sollen, statt zwischen 600.000 und 700.000 wie in den Vormonaten.

Auch mit Aussagen aus dem National Bureau of Economic Research ( NBER) sollten nicht sehr ernst genommen werden, wonach eine Erholung schon im Mai eintreten könne. Schließlich hat das NBER ein ganzes Jahr gebraucht, um überhaupt festzustellen, dass die USA in der Rezession steckt und dies ausgerechnet nach dem Abtreten von Bush. Dass hier positiv entsprechend der politischen Vorgaben interpretiert wird, darf vermutet werden. Die Aussagen reihen sich in Obamas Psycho-Strategie ein, die Stimmung mit positiven Nachrichten zu heben, wobei zum Beispiel der IWF noch kein Licht am Ende des Tunnels ausmachen kann.