Putin in China: Ungleichgewichte

Der russisch-chinesische Handel erinnert an neokoloniale Verhältnisse, nur dass China die Rolle der Metropole und das einstige Industrieland Russland die der Peripherie einnimmt

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Über den chinesisch-russischen Gas-Deal, dem anlässlich der China-Reise des russischen Präsidenten Wladimir Putin die ganze hiesige Medienaufmerksamkeit gilt, wurde auf Telepolis bereits mehrfach berichtet. Aber der Energievertrag war nicht das einzige Bemerkenswerte an den Gesprächen in Shanghai.

Die russische Nachrichtenagentur ITAR TASS schreibt unter anderem, dass man sich in einem gemeinsamen Kommuniqué gegen eine Politik der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ausgesprochen habe. Ohne die EU und die USA zu nennen, verurteilten Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping die politische und finanzielle Unterstützung von Organisationen und Parteien eines anderen Landes, die auf dortige konstitutionelle Veränderungen ziele.

Des Weiteren wurden diverse Verabredungen für grenzüberschreitende Infrastruktur und einen engeren technisch-wissenschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern getroffen. Letzteres betrifft unter anderem die Atomindustrie, wie die chinesische Zeitung People's Daily berichtet.

Schließlich war die wirtschaftliche Kooperation ein wichtiges Thema. Chinesische Unternehmen werden, wie es aussieht, künftig verstärkt beim nördlichen Nachban investieren. Außerdem soll der Warenaustausch bis 2020 auf ein Volumen von 200 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Die US-Währung soll dabei aber möglichst keine allzu große Rolle spielen. Stattdessen sollen Investitionen und Handel verstärkt in den Währungen der beiden Länder abgewickelt werden, schreibt die chinesisch Zeitung, ohne weitere Details zu verraten.

Der chinesisch-russische Handel solle sich ausgewogen entwickeln, heißt es außerdem. Davon kann aber bisher nur bedingt die Rede sein. Zwar halten sich derzeit Ein- und Ausfuhren über den Amur hinweg in etwa die Waage, allerdings gilt dies nur für den Wert der Waren, doch nicht für ihre Struktur.

Während Russland ganz überwiegend Rohstoffe liefert, bezieht es aus China hauptsächlich Industrieprodukte, und zwar nicht zuletzt Maschinen und Elektronik. Das ist für seine technologisch-industrielle Entwicklung nicht gerade förderlich. Offensichtlich kann die russische Industrie nur schlecht mit den chinesischen Produkten konkurrieren.

Interessant ist an dieser Handelsstruktur allerdings aus deutscher Sicht, dass sich chinesische Produzenten inzwischen auf dem gleichen Feld tummeln wie deutsche Exporteure. Maschinen- und Fahrzeugbau ist das wichtigste Standbein der hiesigen, so überaus auf Ausfuhren fixierten Volkswirtschaft.