RWE denkt über "Atomstromtarif" nach

Vorstandschef Großmann hofft auf eine Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In einem Interview mit der WAZ sagte der Vorstandschef des Energiekonzerns RWE Großmann der Zeitung, dass das Unternehmen derzeit prüfe, ob es zukünftig "Kernenergie als Produkt" anbieten wird. Die Idee kommt laut Grossmann "von den Beschäftigten in [den] Kernkraftwerken, die auf ihre Produkte stolz sind."

Welche Vorteile solch ein "Atomstromtarif" für die Verbraucher haben soll wurde allerdings nicht ganz klar. Denkbar wäre eine deutlich billigere Abgabe. Allerdings würde der dem Verbraucher gelieferte Strom bei der Wahl eines solchen Tarifs ebenso wenig ausschließlich aus Atomkraftwerken kommen, wie "Ökostrom" aus erneuerbaren Energien.

Da ein kostengünstigerer Tarif die Profite des Oligopolisten potentiell schmälern würde, wäre das wahrscheinlichste Motiv für eine tatsächliche Einführung, dass die breitflächige Annahme solch eines Angebots durch die Verbraucher Druck auf die Politik erzeugen würde, die Laufzeit für Atomkraftwerke zu verlängern. Tatsächlich fordert Großmann in dem Interview genau das von der nächsten Bundesregierung, andernfalls würden seiner Aussage nach die Strompreise steigen.

Der Ausstiegsbeschluss, den die Energieunternehmen mit unterzeichneten, sei bei einem Ölpreis von 20 Dollar pro Fass gefasst worden, weshalb heute, wo er sechs- bis siebenmal so hoch liegt, die "Rahmenbedingungen" dafür nicht mehr passen würden. Deutschland müsse sich deshalb entscheiden, ob es lieber mit Kernenergie arbeiten oder seine gesamte Wirtschaft umbauen wolle. Sonst würde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie leiden, die Großmanns Angaben zufolge in den letzten Jahren deutlich stärker wuchs als der Dienstleistungssektor.

Bei einer Verringerung des Kernkraftanteils könne die Grundlast nur durch Kohlekraftwerke gesichert werden, was "entsprechende Folgen für den CO2-Ausstoß" hätte. Durch die EU hätte Deutschland aber ohnehin keine Hoheit mehr über den Energiemix im Lande, weil die Energieversorger das liefern müssten, was an den europäischen Kuppelstellen eingespeist wird.