Richter aus Georgia soll Musterbeschluss nicht lesen, weil es in Kalifornien die Schwulenehe gibt

Wie ein Anwalt der Copyright-Troll-Firma Prenda Law versucht, die Auswirkungen einer für das Unternehmen negativen Gerichtsentscheidung zu begrenzen

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Als so genannte "Copyright-Trolle" bezeichnet man Firmen, die Internetnutzer mit oft fragwürdigen Porno-Download-Vorwürfen zu Zahlungen drängen. Viele davon begleichen die hohen Rechnungen, obwohl die Vorwürfe nicht zutreffen, weil sie sich Peinlichkeiten ersparen wollen. Am 6. Mai entschied der kalifornische Richter Otis D. Wright II. in einem Beschluss, der nicht nur wegen seiner zahlreichen Anspielungen auf Star-Trek-Filme weltweit Aufsehen erregte, dass die Copyright-Troll-Firma Prenda Law einem von ihr bedrohten Internetnutzer nicht nur 40.659 US-Dollar und 86 Cent an Anwaltskosten erstatten, sondern die selbe Summe noch einmal als Strafe zahlen muss. Außerdem kündigte er an, die von ihm gerichtlich festgestellte Missbrauchsmasche Anwaltskammern und Staatsanwaltschaften zu melden und verpflichtete Prenda Law dazu, seinen Beschluss bei all jenen Gerichten einzureichen, an denen ähnliche Fälle mit Beteiligung der Kanzlei verhandelt werden.

Die Rechtsanwältin Blair Chintella, die den Internetnutzer Rajesh P. vor einem Gericht im Norden Georgias vertritt, wartete nicht darauf, dass Prenda Law der von Wright angeordneten Verpflichtung nachkommt, sondern reichte die Entscheidung aus Kalifornien gleich selbst ein. Jacques Nazaire, der Rechtsvertreter von Prenda Law in Georgia, versuchte zu vermeiden, dass das der dortige Richter den Beschluss zur Kenntnis nimmt, indem er auf die erheblichen rechtlichen Unterschiede zwischen US-Bundesstaaten hinwies. Allerdings argumentierte er dabei nicht mit dem Copyright, sondern mit der Schwulenehe, die in Kalifornien, aber nicht in Georgia legal ist. Weil er darüber hinaus Unterschiede im Einwanderungs- und im Waffenrecht ansprach, vermuten Beobachter, dass er auf einer emotionalen Ebene einen Vorteil aus politischen Mehrheitsmeinungsunterschieden zwischen "roten" (republikanischen) und "blauen" (demokratischen) Bundesstaaten zu schlagen versuchte.

Auf juristischer Ebene ist sein Vortrag in jedem Fall wenig wert: Denn das Copyright, um das es geht, liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Bundesstaaten, sondern ist vom Kongress in Washington landesweit einheitlich geregelt. Das Urteil aus Kalifornien ist deshalb zwar kein verpflichtender Präzedenzfall für den Richter in Georgia, kann aber eine nützliche Sachverhalts- und Argumentationsergänzung sein und als Entscheidungs- und Formulierungshilfe für das eigene Urteil dienen.