Richter von russischen Rechtsradikalen ermordet

Vor der Tat wurde in rechtsradikalen Blogs offen zum Mord an Eduard Tschuwaschow aufgerufen.

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Zwei Wochen nach den Terroranschlägen auf die Moskauer Metro, ist es in der russischen Hauptstadt erneut zu einer politisch motivierten Bluttat gekommen. Der ranghohe Richter Eduard Tschuwaschow wurde am Montagmorgen beim Verlassen seines Wohnhauses von Unbekannten erschossen. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, die sich dabei auf die Ermittler beruft, soll es sich bei der Tat um einen Auftragsmord halten.

Für die Tat werden von der Moskauer Staatsanwaltschaft jedoch keine kaukasischen Terroristen verantwortlich gemacht, sondern russische Rechtsradikale. Wie das Informations- und Analysezentrum SOVA berichtet, das sich seit Jahren mit der rechtsradikalen Szene in Russland beschäftigt, wurde der 47-jährige Richter seit dem 6. März dieses Jahres von Neo-Nazis in der so genannten "Liste der Volksfeinde" geführt. Seit einigen Tagen wurde in rechtsradikalen Blogs auch offen zum Mord an Eduard Tschuwaschow aufgerufen.

Zum Feindbild der russischen Neo-Nazis wurde Tschuwaschow wegen seiner Urteile in zwei Aufsehen erregenden Prozessen gegen rechtsradikale Gruppierungen. Am 25. Februar 2010 sprach er gegen 12 Mitglieder der Gruppierung Weiße Wölfe Haftstrafen zwischen 6.5 und 23 Jahren aus. Zwischen April 2007 und Januar 2008 verübten die Neo-Nazis, alle im Alter zwischen 17 und 22 Jahren, 11 Morde und einen Überfall, vor allem gegen Arbeiter aus Zentralasien. Und am 8. April verurteilte Tschuwaschow die Anführer der insgesamt neunköpfigen Ryno-Bande, die zwischen August 2006 und April 2007 32 Überfälle auf Arbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien beging und dabei 19 Menschen tötete, zu ähnlich langen Haftstrafen.

In der russischen Presse zeigte man sich schockiert über den Mord an Eduard Tschuwaschow. Der Journalist Aleksej Jeremenko bezeichnete die Tat in einem Kommentar für die Internetzeitung Gazeta.ru als eine weitere Steigerung der rechtsradikalen Gewalt. Jeremenko findet es alarmierend, dass die Neo-Nazis ihre Taten mittlerweile nicht nur in aller Öffentlichkeit begehen, sondern dass auch Vertreter der staatlichen Gewalt zu ihren Opfern werden. Für den Journalisten ein weiterer Beweis dafür, dass die rechtsradikale Szene, die mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise in Russland stärker wurde, immer selbstbewusster agiert.

Solche warnenden Stimmen sind in der russischen Presse jedoch nicht neu. Bereits im Januar 2009 sprach die Novaja Gazeta von "einem längst begonnenen Krieg" der russischen Neo-Nazis. Grund dafür waren die Reaktionen der russischen Rechten auf den Doppelmord an dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und der ihn begleitenden Journalistin Anastasija Baburowa, den die rechtsradikale Szene im Internet, darunter dem Forum der Novaja Gazeta, offen feierte.

Und dass die Warnung der kremlkritischen Zeitung nicht übertrieben war, zeigt sich einige Monate später. Im November überführte die Miliz die 24-jährge Jewgenija Chassis und den 29-jährigen Nikitia Tichonow, Mitglied der Neo-Nazi-Gruppe Obedinnaja Brigada 88 (OB-88), des Mordes an Markelow und Baburowa.