Russische Bosse lauschen Rebellen aus Athen

Eine multipolare Welt müsse sich "von den Sünden der alten Welt" befreien, bläute Alexis Tsipras den Gästen des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg ein.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eine schwere Wirtschaftskrise habe man in Russland verhindern können, erklärte der russischen Präsident, Wladimir Putin, am Freitag im Plenarsaal des Wirtschaftsforums. Das sei vor allem deshalb möglich gewesen, weil Russland einen "ausreichenden Vorrat an innerer Festigkeit" habe. Das Finanzsystem habe sich auf die neuen Bedingungen eingestellt. Gleichzeitig habe man Beschränkungen im Kapitalverkehr vermeiden können .

"Wir in Europa dachten, wir seien der Nabel der Welt"

Einen etwas anderen Ton schlug der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras an, der gleich nach Wladimir Putin sprach.

Während der Rede des griechischen Premiers lauschten die meist männlichen Forums-Teilnehmer in ihren dunklen Anzügen gespannt. Dass dem griechischen Sozialisten, der sich mit Berlin angelegt hat und wie üblich mit offenem Hemdkragen auftrat, nicht gleich die Herzen der eher konservativen russischen Politiker und Geschäftsleute zuflogen, war an den konzentrierten Minen der Zuhörer zu erkennen. Nur die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, die 1997/98 Botschafterin Russlands in Griechenland war, wirkte entspannt. Vermutlich versteht sie Griechisch.

"Wir in Europa hatten lange Zeit Illusionen. Wir dachten lange, wir seien der Nabel der Welt," erklärte der Rebell aus Griechenland. Doch das wirtschaftliche Zentrum der Welt habe sich verschoben. Es gäbe die G8, die G 20 und die Zusammenarbeit der Brics-Staaten. Die von Russland initiierte "Eurasische Union" bezeichnete Tsipras als "neue Form der Integration und ein potentielles Beispiel für die Erzeugung von Reichtum und Wohlstand." Doch die Änderungen kämen "nicht von selbst". Die neue multipolare Welt sei nur lebensfähig, "wenn sie sich von den Sünden der alten Welt befreit" und statt "harter Wirtschaftspolitik" für "soziale Gerechtigkeit" sorgt.

Griechenland befinde sich zurzeit "im Zentrum eines Taifuns. Aber wir leben am Meer und haben keine Angst aufs offene Meer zu fahren und neue, sichere Häfen zu finden." Das EU-Mitglied Griechenland werde am Schnittpunkt von Kontinenten seine Brückenfunktion zu Russland und anderen Staaten nutzen.

Zwei Milliarden Euro für griechische Pipeline von russischer Bank

Vor der Tsipras-Rede am Freitagvormittag hatten die Energieminister von Russland und Griechenland, Aleksandr Nowak und Panagiotis Lafazanis ein Memorandum über die Verlängerung der Gas-Pipeline "Turkish Stream" auf griechisches Territorium unterschrieben. Die geplante Pipeline (Karte Streckenverlauf) soll anschließen an die von türkischem Territorium kommende Pipeline, mit der Russland Gas nach Südosteuropa bringen will.

Den Bau von Turkish Stream verkündete Wladimir Putin bereits am 1. Dezember 2014. Die Pipeline ist als Ersatz gedacht für die russische Pipeline South Stream (Karte Streckenverlauf) , welche durch das Schwarze Meer und Bulgarien führen sollte. South Stream erwies sich aber wegen den Widerständen in der EU als nicht durchführbar.

Betreiber des Pipeline-Teilstücks auf griechischem Territorium soll ein russisch-griechisches Gemeinschaftsunternehmen sein. Gasprom wird an dem Unternehmen nicht beteiligt sein. Damit will man offenbar den Anti-Monopol-Bestimmungen der EU entgegenkommen. Die russische VEB-Bank will Griechenland bei dem Pipeline-Projekt mit einem Kredit von zwei Milliarden Euro unter die Arme greifen.

Manche Teilnehmer wollten unerkannt bleiben

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg lockte auch viele Investoren aus den USA an. Das hänge damit zusammen, das Vermögenswerte in Russland jetzt „sehr billig geworden“ seien, schrieb das russische Wirtschaftsblatt Vedomosti. Allerdings wollten manche Gäste in St. Petersburg unerkannt bleiben.

Großes Interesse an dem Forum gab es vor allem bei Staaten aus Asien. Die Diskussion in Russland, ob chinesische Investitionen in russischen Schlüsselsektoren gefährlich seien, sei "abgeschlossen", erklärte Vizepremier Igor Schuwalow. "Wir sind bereit für chinesische Investitionen und die Chinesen sind bereit für unsere." Der russische Vizepremier erklärte, ungeachtet der Sanktionen sei Russland weiter interessiert mit der EU einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen.

Russland und Saudi-Arabien planen Energie- und Weltraum-Projekte

Mit Saudi-Arabien, mit dem Russland wegen Syrien seit vier Jahren ein sehr angespanntes Verhältnis hatte, scheint sich das Verhältnis zu entspannen. Der Verteidigungsminister von Saudi-Arabien, Kronprinz Mohammed bin Salman, wurde von Putin zu einem Gespräch empfangen. Die russische Raumfahrtagentur und das saudische Zentrum für Wissenschaft und Technologie planen gemeinsame Projekte im Bereich der bemannten und unbemannten Raumfahrt. Geplant ist außerdem eine bilaterale Arbeitsgruppe für Projekte im Bereich von Öl und Gas.