SPD hilft Schwarz-Gelb

Die Sozialdemokraten haben mit ihrer Ablehnung der Wahlrechtsreform gezeigt, dass sie nicht mal in eigener Sache konfliktbereit sind

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Mit der großen Mehrheit von 493 Stimmen haben gestern die Regierungsparteien eine von der Bundestagsfraktion der Grünen eingebrachten Antrag zur Änderung des Wahlrechts abgelehnt. 97 Abgeordnete, vor allem aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei und einige Sozialdemokraten haben den Antrag zugestimmt, 5 haben sich enthalten.

Die Antragssteller beziehen sich dabei auf ein Urteil des Bundsverfassungsgerichts vom 3.Juli 2008. Demnach ist das zur Zeit gültige Wahlrecht teilweise verfassungswidrig, weil durch die Vergabe der Überhangsmandate eine Partei mit vielen Zweitstimmen bei der Sitzvergabe im Bundestag benachteiligt ist.

Die Richter hatten dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 30.Juni 2011 für die Änderung des Wahlrechts gewährt, was bei Juristen und Kommentatoren des Urteils zu Kritik führte. Nach Auffassung der Grünen wäre eine Änderung des Wahlrechts ohne großen Aufwand noch vor der nächsten Bundestagswahl möglich. Die Unionsparteien, die vom bestehenden Wahlrecht profitieren, wollen die vom Bundesverfassungsgericht gewährte Frist ausschöpfen und die Reform auf die nächste Legislaturperiode verschieben.

Der Ausgang der Abstimmung versprach Spannung, nachdem führende SPD-Politiker laut darüber nachdachten, die Koalitionsdisziplin am Ende der Legislaturperiode bewusst zu verletzen und für den Antrag der Grünen zu stimmen. Damit wäre ein Dissens innerhalb der großen Koalition erstmals durch ein unterschiedliche Abstimmungsverhalten deutlich geworden. Bisher galt bei zentralen Gesetzen der Grundsatz, dass kein Koalitionspartner den anderen überstimmt. Die Befürworter dieser Konfliktlinie erklärten, es wäre auch öffentlich vermittelbar, dass die SPD nicht dem Bestand eines Wahlrechts zustimmt, das sie massiv benachteiligt.

Doch die Parteiführung war zu einem solchen Konflikt nicht bereit und beugte sich der ablehnenden Haltung der Union. Sie setzte damit am Wahlkampfbeginn das Signal, dass sie den Koalitionsfrieden mit der Union auch in der nächsten Legislaturperiode bewahren will. Dabei könnte die weitere Anwendung des alten Wahlrechts dazu beitragen, dass eine bürgerliche Mehrheit ohne die SPD möglich ist.

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