Saure-Gurken-Zeit? Eigentlich nicht - wenn man denn wollte...

Außer Kontrolle

Das gewittrige Wetter lässt die Gurkenernte zur Rekordernte werden. Und in Niederbayern müssen sogar tonnenweise Gurken vernichtet werden. Warum? Gute Frage.

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Die Herkunft des Begriffes "Saure-Gurken-Zeit" ist umstritten. Mal wird sie auf die Zeit zurückgeführt, in der es (fast) nur eingelegtes Gemüse gab, mal auf die Zeit, in der die sauren Gurken Hochsaison hatten. Mittlerweile ist der Begriff gängig für jene Zeit, in der z.B. journalistisch eher "wenig zu holen ist", was natürlich, dies muss einmal gesagt werden, unsinnig ist und zeigt, wie sehr sich Journalismus auch auf die (heimische Politik) konzentriert hat.

Da die Politik die Sommerpause nutzt, ist auch im Bereich Journalismus oft Pause und es werden eher banale Themen aufgegriffen, obgleich auch während der Politikpause ja genug Themen zur Verfügung stünden. Nur bedürfen diese Themen oft der Recherche und auch durch Personal- und Finanzkürzungen leisten sich viele Redaktionen eine solche Abteilung nicht mehr, sondern übernehmen größtenteils Agenturmeldungen oder schwenken um auf Meinungs- und Kommentarjournalismus, der oft ohne Recherche auskommt.

"Saure-Gurken-Zeit" kann derzeit aber auch angesichts der Meldungen über die Rekordernte in Bezug auf Feldgurken die Art des Journalismus genannt werden, die sich mit dem Thema befasst. Zwar haben sowohl die TAZ und die Welt als auch diverse kleinere Zeitungen die Nachricht über die "Rekordernte" und ihre Folgen übernommen, doch kritische Nachfragen werden bei den Berichten vermisst.

Sowohl bei der TAZ wie auch bei der Welt usw. liest man, dass in Niederbayern die Gurken vernichtet werden müssen, weil sie innerhalb von zwei Tagen im Glas sein müssen. Eine Weitergabe der überschüssigen Gurken, deren Verarbeitung nicht möglich ist, weil dies die Kapazitäten sprengen würde, an Tafeln und ähnliche soziale Einrichtungen sei aber nicht möglich, weil es sich bei den Gurken um lediglich kurzfristig haltbare Ware handele. In der Welt heißt es:

"Für die überschüssige Gurkenmenge gebe es keine weiteren Abnehmer, sagte Hofmeister. Auch könnten Einlegegurken nicht einfach an soziale Initiativen wie Tafeln verschenkt werden, "die müssen binnen zwei Tagen ins Glas kommen". Es handele sich um leicht verderbliche Ware."

Nun wäre dies der Moment gewesen, um nachzufragen: wird nicht auch andere, leicht verderbliche Ware an die Tafeln geliefert? Wie wird dies denn bewerkstelligt und warum sind die Gurken hier ein Sonderfall, wenn auch z.B. Salat angenommen wird, der z.T. noch schneller verdirbt als Gurken? Wurde versucht, die Gurken zu einem Sonderpreis anzubieten für Menschen, die noch selbst wissen, wie Gurken eingelegt werden? Wurde insofern versucht, die Vernichtung der Gurken zu vermeiden und wie? Wer genau wurde kontaktiert und welche Gründe gab es für die Ablehnung des Angebotes? Inwiefern war es z.B. Tafeln nicht möglich (immerhin werden bei manchen Tafeln ja auch warme Mahlzeiten angeboten), ggf. mit Hilfe anderer karikativer Einrichtungen, hier Gurken abzunehmen, daraus eine warme Mahlzeit, z.B. in Form von Schmorgurken, Gurkensuppe usw. herzustellen und diese einzufrieren, zumal es ja bei den Tafeln Kühlkapazitäten gibt?

Stattdessen wird kritiklos kolportiert, dass die Vernichtung alternativlos gewesen ist. Die vernichteten Tonnen Gurken werden allerdings wieder in die Gesamtmenge der vernichteten Lebensmittel einfließen und - so ist zu befürchten - im nächsten Jahr wieder beim Thema ALG II auftauchen, wenn es darum geht zu belegen, dass die Menschen immer noch genug Geld für Lebensmittel haben, wenn man sich so ansieht, wie viele Lebensmittel doch vernichtet werden. Gerade jetzt, in der "Saure Gurken-Zeit" wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, sich mit dem Thema näher zu befassen als nur die eine Meinung weiterzutragen.