Sicherheit über alles

In Toronto wird wieder einmal die Unsinnigkeit von politischen Großereignissen deutlich, die immer mehr kosten, keine Ergebnisse bringen und Grundrechte einschränken

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Fast eine Milliarde kanadische Dollar kostet es der kanadischen Regierung allein, für die Sicherheit des G8- und des G20-Gipfels zu sorgen. Für die nicht zu erwartenden Ergebnisse ein hoher Preis. Der muss nicht nur finanziell gezahlt werden. Um die Regierungschefs und ihren Tross zu sichern, werden auch Bürgerrechte eingeschränkt und ganze Stadtteile gesperrt, die auch in den demokratischen Staaten in mit Stacheldraht markierten Hochsicherheitstrakts verwandelt werden ( Sicherheit von politischen Großereignissen wird inflationär teuer).

Wenn auch unter Auflagen, darf nun die Polizei vier akustische Kanonen des Typs LRAD (Long-Range Acoustical Device) einsetzen, um Demonstranten zu vertreiben oder einzuschüchtern. Bürgerrechtsgruppen hatten versucht, den Einsatz zu verhindern, da diese womöglich Schäden an den Ohren verursachen könnten. Verboten wurde der Polizei nun vom Gericht, mit den akustischen Kanonen einen die Ohren schmerzenden Warnton abzugeben. Auch sonst werden Großereignisse zum Testfeld für neuen Sicherheits- und Überwachungstechniken ( Tausende Augen für kanadische Polizei).

Schnell und vor allem heimlich wurde vor den Gipfeln noch die Befugnis der Sicherheitskräfte erweitert, Personen festnehmen zu können. Damit besteht die Gefahr, dass Demonstranten und Passanten, die das auch nach den Medienberichten nicht mitbekommen haben, in eine Falle laufen. Bekannt war die Gesetzesänderung erst geworden, als die Polizei am Donnerstag einen Mann inhaftierte, der sich der Absperrung genähert hatte. Die Regierung streitet ab, die Gesetzesänderung, die letzten Montag in Kraft getreten ist und bis zum 28. Juni gültig bleibt, heimlich vorgenommen zu haben, und weist darauf hin, dass sie auf der Website www.e-laws.gov.on.ca veröffentlicht zu haben.

Festgenommen werden kann nun schon jemand, der sich einer Absperrung wie dem drei Meter hohen Sicherheitszaun in Toronto oder einer anderen Sicherheitszone auf 5 Meter nähert. Zudem müssen Personen sich identifizieren oder dürfen ohne richterliche Genehmigung durchsucht werden, wozu die Polizei sonst nicht berechtigt wäre. Allerdings scheint die Polizei sich über die die in Kraft gesetzte Anordnung aus dem Jahr 1939 nicht ganz im Klaren zu sein. So meinte der Polizeichef von Toronto, dass nur diejenigen, die nach Aufforderung die Absperrung oder ein öffentliches Gebäude wie den Flughafen oder ein Gericht nicht verlassen, sich ausweisen müssen und einer Leibesvisite unterzogen werden können.

Bürgerrechtler und Organisationen, die zum Protest aufgerufen haben wie das Toronto Community Mobilization Network kritisieren die Maßnahme scharf als Machtmissbrauch, weil damit auch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt würde.

Update: Gestern kam es während der ansonsten friedlichen Proteste zu Ausschreitungen, die auch eine Folge der Großveranstaltungen sind. Wo es vor allem um mediale Aufmerksamkeit geht, suchen auch die Gegner sie - mitunter nur, um in deren Zentrum zu stehen. Um ernsthafte Politik geht es den Randalierern, die Autos anzündeten und Fensterscheiben einwarfen, ebenso wenig wie den Regierungschefs in ihrer urbanen Festung.