"So schlecht ausgebildet und so lange arbeitslos"

Trotz guter Wirtschaftslage: Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit bleibt, ebenso der Frust über so genannte "Sozialschmarotzer"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Zahl der Arbeitslosen könnte in Deutschland schon in diesem Monat unter drei Millionen sinken, so der Chef der Agentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, gegenüber der Welt. Bis auf eine kurzfristige Erhöhung in den Sommerferienmonaten prophezeit Weise im Interview, dass die Zahl länger unter der Schlagzeilen-Marke bleiben könnte, auch 2012.

Sehr viel mehr gehe aber nicht, lässt Weise im Interview verstehen. Hoffnungen darauf, dass sich auch beim großen Problem der Langzeitarbeitslosen neue Aussichten auftun, dämpft der Arbeitsagenturchef. Nur 30 Prozent der knapp 3 Millionen Arbeitslosen seien "gesund, flexibel und gut ausgebildet" und somit, so sein Fachwort, "marktgängig", leichter vermittelbar. Beim harten Kern der Langzeitarbeitslosen, 900.000, würden die Arbeitgeber abwinken, "so schlecht ausgebildet und so lange arbeitslos". Dafür habe man noch keine intelligente Lösung gefunden. Die Ein-Euro-Jobs zählen für Weise nicht dazu, weil sie anders als gedacht, von Kommunen als Kosteneinsparmaßnahmen umgesetzt wurden (zum Problem des Lohndumpings siehe auch Die deutsche Wirtschaft startet schwungvoll).

"Wenn man dann genau hingeguckt hat, dann wurden diese Leute in kommunalen Beschäftigungsgesellschaften oder im Werkhof der Gemeinde eingesetzt. Das ist eine Fehlentwicklung. Die Reduzierung der Ein-Euro-Jobs ist daher richtig."

Wie intelligentere Lösungen konkret aussehen könnten, weiß auch Weise nicht, im Prinzip sollte es so sein, dass man für die Arbeitslosen eine "würdevolle und produktive Beschäftigung" schaffen sollte, getreu dem Grundsatz, dass "Arbeit besser (ist) als Arbeitslosigkeit".

Doch muss der Welt-Leser heute nicht weit suchen, um gleich unter dem Interview mit Weise die Problemlösung für die schwer vermittelbaren Arbeitslosen zu finden. Sie kommt von Bayerns Arbeitsministerin Christine Haderthauer und bearbeitet die alte Kerbe neu: Es gehe den Arbeitslosen zu gut, sie hätten durch die "hohe soziale Absicherung" zu wenig Leidensdruck. Um den zu erhöhen, verweist sie darauf, dass man auch die Hartz-IV-Unterstützung entziehen könnte, als "ultimative Sanktion". Pädagogik soll die Einstellungswende schaffen: "Die Gesellschaft kann sich das Motto, ’wer arbeitet ist doof’ nicht gefallen lassen'."

Was erneut zeigt, dass es Haderthauer nicht um das Problem selbst geht, sondern darum, der Psyche derjenigen zu schmeicheln, die in Arbeit, aber nicht zufrieden sind, weil sie das Gefühl haben, ihre täglichen Anstrengungen würden gegenüber den "Sozialschmarotzern" schlecht entlohnt. Solche Klagen sind an bayerischen Biertischen überall zu hören. Man könnte in diesem Zusammenhang auch auf die Idee kommen, darüber zu reden, dass zu geringe Löhne bezahlt werden, doch lenkt man die Wut lieber auf Sündenböcke mit schlechter Lobby.

Dass ihr ein guter Spruch fürs Wahlvolk wichtiger ist, als sich die Arbeit zu machen, bessere Lösungen zu suchen, kann man an den "Stichpunkten" der CSU-Arbeitsministerin für den "Brückenbau" zurück zum geregelten Leben und zum Arbeitsmarkt, gut ablesen: "Bürgerarbeit und Ein-Euro-Jobs".