Spanien verstößt erneut deutlich gegen Defizitvorgaben

Wachstum und günstige Zinsen helfen auch wegen des Ausbaus des Hochgeschwindigkeitsnetzes nicht

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Es war nicht schwierig vorherzusagen, dass es die Bauwut in Spanien im Superwahljahr 2015 unmöglich machen würde, die Defizitversprechen einzuhalten. Da Spanien immer noch abgeschlagen bei der Arbeitslosigkeit hinter Griechenland rangiert, wurden im Wahljahr etliche Stellen geschaffen, um die Lage besser als real erscheinen zu lassen. Nun hat das nationale Statistikamt der spanischen Zentralregierung und den Regionalregierungen die Rechnung für diese Politik präsentiert. Es hat die Zahlen bestätigt, die schon längst kursierten.

Sie übertreffen auch die negativsten Prognosen noch. Denn statt das von Brüssel ohnehin nach oben korrigierte Defizitziel von 4,2% einzuhalten, wurden es sogar mehr als 5,2%, wenn die gut 500 Millionen Euro an neuen Bankenhilfen eingerechnet werden. Eigentlich hätte auch Spanien 2015 wieder das Stabilitätsziel von 3% der jährlichen Wirtschaftsleistung einhalten sollen. Schon 2012 sollte es 4,4% betragen, doch war Brüssel stets nachsichtig mit der konservativen Regierung und passte die Ziele mehrfach an.

Spaniens Abbau des Defizits stagniert. Es wurde gegenüber dem Vorjahr sogar nur kaum gesenkt. Das ist besonders verwunderlich, da Spanien 2015 ein relativ starkes Wachstum von 3,5% auswies. Dazu kommt die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB). Die hat mit ihrem umstrittenen Anleihekauf dafür gesorgt, dass die Zinsen für die Staatsschulden auch für Spanien deutlich gesenkt wurden. Ein günstiger Ölpreis schafft zudem Entlastung.

Dass Spanien im Superwahljahr den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken weiter vorangetrieben hat, dessen Budget sogar um 11,5% gegenüber 2014 erhöht worden war, trug deutlich zum unerwartet hohen Defizit 2015 bei. Das Land leistet sich schon das zweitgrößte Hochgeschwindigkeitsnetz weltweit, hatte aber nie deren Rentabilität untersucht. Nach unabhängigen externen Untersuchungen soll keine der vielen spanischen Strecken rentabel sein.

Inzwischen warnt sogar die Ratingagentur Standard & Poor's vor dem weiteren Ausbau dieser Strecken, da sie auch in der Unterhaltung enorme Kosten verursachen. Sie empfiehlt, "die Rentabilität" von neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken zu untersuchen. Experten wundern sich in einem Gutachten für die Agentur, dass "der größte Teil der öffentlichen Investitionen in den letzten Jahren (auch 2016), für den Ausbau der Strecken ausgegeben wird". Gerechnet wird damit, dass jeder Kilometer im Durchschnitt 15 Millionen Euro gekostet hat. Kritisiert wird weiter, dass es für Infrastrukturprojekte in Spanien nie eine "langfristige Strategie und Planung über eine Legislaturperiode hinaus" gegeben habe.

Es ist stets erstaunlich, wie in Brüssel bei den Vorgängen in Spanien immer wieder beide Augen zugedrückt werden. Da werden jährlich Haushalte genehmigt, bei denen wie 2015 eigentlich allen klar sein musste, dass das Ziel wieder einmal nicht erfüllen werden würde. Spanien hat in den Krisenjahren nicht einmal seine Defizitversprechen erfüllt, weshalb die Staatsverschuldung nun auf 100% angeschwollen ist. Vom Stabilitätsziel 60% entfernt es sich immer weiter.

Statt abgemahnt zu werden, wurde das Land immer wieder mit Anpassungen der Vorgaben sogar noch belohnt, weil es den Austeritätskurs durchzieht, obwohl der die gewünschten Effekte nicht zeigt. Man darf gespannt sein, wie sich Brüssel verhält, wenn es doch noch gelingen sollte – vor oder nach Neuwahlen – eine Linksregierung wie in Portugal zu bilden.