Südkorea: Schachzug oder erster Rückzieher?

Präsidentin fordert Parlament auf, Modus und Termin für ihren Rücktritt festzulegen

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Samstagabend letzter Woche in Seoul: 1,5 Millionen Menschen demonstrieren vor dem Präsidentenpalast. Bild: Veranstalter

Südkoreas umstrittene Präsidentin Park Geun-hye hat am Dienstag (Ortszeit) erstmals angedeutet, sie könnte zurücktreten. Seit Ende Oktober hat eine anschwellende Protestbewegung von ihr genau das gefordert. Zuletzt waren am Samstag, wie berichtet, rund 1,9 Millionen Menschen im ganzen Land auf die Straße gegangen.

Park spielte den Ball dem Parlament zu. Nach Agenturberichten forderte sie die Regierungs- und Oppositionsfraktionen auf, einen Plan zur Machtübergabe zur präsentieren, der ein Machtvakuum vermeide. Sobald dieser vorliege, sei sie bereit, ihren Hut zu nehmen.

Bei der größten Oppositionspartei hält man den Schritt der Präsidentin für einen Schachzug, um Zeit zu gewinnen. Anstatt einfach zurückzutreten, würde Park versuchen, die Fraktionen in eine Diskussion über den besten Termin für Neuwahlen zu verstricken. Park wolle nur ein Amtsenthebungsverfahren verhindern, so Oppositionspolitiker, die von den Agenturen zitiert werden.

Ganz ähnlich auch ein Bericht der Korea Times. Ein bedingungsloser Rücktritt sei nötig, so ein Abgeordneter der Demokratischen Partei, die mit 121 von 300 Parlamentssitzen die führende Kraft in der Opposition ist. Park wolle nur die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens aufhalten. Die Zeitung geht davon aus, dass am Freitag ein entsprechender Antrag im Parlament eingebracht wird.

Dort stellt die Regierungspartei Saenuri-dang, die die alten einst mit der Militärdiktatur verbundenen Eliten repräsentiert, mit 128 von 300 Abgeordneten zwar knapp die größte Fraktion, hält jedoch keine Mehrheit. Dennoch könnte sie ein Amtsenthebungsverfahren verhindern, denn für diese wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit vonnöten. 20 Stimmen Saenuri-Abgeordnete müssten mit der Opposition stimmen.

Einige haben bereits angekündigt, dies zu tun, andere scheinen noch unentschlossen. Der Beitrag der Korea Times legt nahe, dass diese Parks Köder angenommen haben und von der Opposition nun neue Verhandlungen fordern. Über das Amtsenthebungsverfahren werde erst am 9. Dezember abgestimmt, wenn keine andere Lösung gefunden werden könne.

Auf jeden Fall wird es spätestens nächste Woche im Parlament zum Showdown kommen, denn am 9. Dezember gehen die Parlamentarier in die Winterpause, wie die Asia Times schreibt. Würde die Amtsenthebung erfolgreich eingeleitet, wäre die Präsidentin damit zunächst suspendiert, und das Verfassungsgericht hätte anschließend 180 Tage Zeit, über ihr weiteres Schicksal zu entscheiden. Nur wenn sechs der neun Richter der Amtsenthebung zustimmen, würde diese vollzogen, so die Darstellung des Online-Magazins.

In Südkorea bleibt es also spannend, zumal die Protestbewegung zu einer rasanten Politisierung der Jugend geführt zu haben scheint. An anderer Stelle berichtet die Korea Times, dass Schüler und Studenten wesentlicher Motor der Mobilisierung seien, der größten seit jener Ende der 1980er, die seinerzeit die Militärdiktatur zu Fall brachten. Die Jugendlichen würden bereits beginnen, ihr neues politisches Selbstbewusstsein auch in Auseinandersetzungen mit den Schul- und Hochschulleitungen einzusetzen.