Teenage-Angst und und Selbstmord-Tendenzen

Ein dunkler Blick aufs Internet - Nakatas "Chatroom"

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Die ersten Bilder zeigen einen langen Gang, vielleicht ein Hotel. Aber etwas Irreales, ein Element Übertreibung liegt von Anfang an über diesen etwas zu vielen Türen zu zuvvielen Räumen, die sehr bunt aussehen. Man denkt kurz an Wong Kar-wei's "2046", vor allem aber an Kubricks "Shining".

"Chelsea Teens" heißt das Zimmer bald, das der junge Mann eröffnet. Und erst jetzt versteht man: Diese Bilder zeigen nichts Reales, sondern sie zeigen Virtualität. Sie sind, zwischen Pop und Klassizismus, Nostalgie und Einfallslosigkeit, Bilder für das Internet, genauer: Bilder für Chatrooms. Und "Chelsea Teens" heißt der Raum, um den es in diesem Horrorjugendfilm vor allem geht.

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(Bild: Hideo Nakata)

Virtuos sind die ersten Minuten inszeniert, es läuft der zweite Satz der 9 Symphonie von Beethooven, die auch Klassikverächter kennen, aus Kubricks "A Clockwork Orange" nämlich. Zwischendurch sieht man mit Knetfiguren in Stop Motion eine Geschichte über die Schwarze Pest erzählt, vor allem aber erlebt man das Privatleben der fünf Mitglieder des Chats.

Ein ungewöhnlicher Film ist "Chatroom" von Hideo Nakata auf alle Fälle. Vorlage ist das gleichnamige Bühnenstück des Iren Enda Walsh. Wir haben gelernt, solche Filme zu lesen. Immer wieder findet der Regisseur ein paar tolle Bilder für das Internet. Knallig bunt zwar, aber dazwischen reiner Leerlauf. Eine Gruppe britischer Teenager trifft sich. Sie alle haben große Probleme. Schnell konzentriert sich alles auf William (Aaron Johnson), Gründer des Chatrooms und Sohn einer Schriftstellerin. Er ist neidisch auf seinen Bruder und vor allem sadistisch veranlagt. Sein Plan: Er will andere fragile Teenies in den Selbstmord treiben. Der Chatroom ist ein Suicide-Club.

Im Kern geht es also um desorientierte Teenager, die Dinge sagen wie: "Die glücklichste Zeit meines Lebens war, als mein Vater Prostata-Krebs bekam." Klassische Teenage-Angst also und ein unglaublicher Kulturpessimismus, nun allerdings verbunden mit den Neuen Medien.

Der Film häuft alle Klischees zu Internet und Teenager an, die ihm einfallen. Darein mixt er dann Dialoge wie "What are you going to do?" - "Banish some demons". Fragen wie: "Whom do you hate?" mit der vorhersehbaren Antwort "Me" stehen im Raum. Ein wenig hübsch inszenierter, aber nicht grundsätzlich aufregender Ekel kommt dazu: Scheiße auf Autofenstern, Kotzen, ein Messer im Arm. Dann ein japanisches Selbstmordvideo.

Der Haupteinwand gegen die Triftigkeit des Gezeigten muss lauten: Wenn Chatroom so persönlich wären, so emotional, wie der Film behautet, wären sie anders. Denn die virtuelle Welt ist hier nicht virtuell, das ist das Verlogene an "Chatroom". Eine körperlose Welt. Dafür gibt es auch nach diesem Film keine Bilder.

So bleibt ein konventioneller Paranoia-Thriller mit sehr guter Musik.