Telepolis-Musikcharts im Februar

Mit Carmageddon als Musikvideo, Konzerteindrücken und Kabarettisten

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Im Zeitalter der allgemeinen Verfügbarkeit von Musik via YouTube hier nicht ausschließlich Neuerscheinungen, sondern zehn Stücke, die unsere Autoren derzeit am meisten schätzen

1. Jarvis Cocker – Don't Let Him Waste Your Time. Nominiert von Hubert Erb: "Carmageddon als Musikvideo".

2. Simian Mobile Disco – Hustler. Nominiert von Tomasz Konicz: "Ein wahrhaft 'geiles' Musikvideo, das tief blicken lässt - in die Abgründe unserer in Auflösung begriffenen Konsumgesellschaft."

3. Marc Uwe Kling - Wer hat uns verraten? Nominiert von Harald Neuber: "Immerhin ein so aktuelles Thema, dass dieses Kabarettstück seit seinem Entstehen mehrfach aktualisiert werden musste. Die Zeile 'und es dauert auch nicht mehr lang', da singt bei uns auch Kurt Beck' wurde durch den Niedergang der ehemaligen Volkspartei bereits lange eingeholt. Nominiert wird er auch wegen des Überzeugungseffekts, der sich in den Gesichtern der Zuhörer widerspiegelt. Und natürlich wegen der Ankündigung: 'Und dann ist mir klar geworden, dass ich mir damit quasi selber Krebs gewünscht hab'. Und das war der Moment, in dem ich mich entschlossen hab', mein Lied über die SPD zu schreiben'."

4.Smashing Pumpkins – Disarm. Nominiert von Twister: "Eines der stylishten und erotischten Videos der Band, die ich wegen Billy Corgans Stimme immer mochte, wenn nicht gar verehrte. Auch wenn die Line-Ups sich verändert haben, so fand ich das Dreigestirn Billy (Corgan), D´Arcy Wretzky und James Iha, welches in dem Video gezeigt wird, immer am faszinierendsten. D´Arcy war für mich immer eine Stilikone, wie es heutzutage heißt - sie wirkte gerade in dem Video, mit diesen Zöpfen und dem Kleid, gleichzeitig unnahbar, sexy, unschuldig als auch traurig und verloren. Corgan selbst fleht, schreit und sieht mit seinen langen Wimpern, den markanten Gesichtszügen und seiner Mimik unwiderstehlich und zerbrochen aus, während James Iha völlig entrückt erscheint (und ich liebte diese Frisur).

Dass die Band in Schwarzweiß bzw. Grautönen gezeigt wird, die Bilder des kleinen Jungen jedoch in Farbe, lässt die Band wie aus einer anderen Welt aussehen. Und wenn am Schluss noch einmal Corgans Gesicht silhouettenartig zu sehen ist, ist es endgültig Zeit, auf die 'Wiederholung'-Taste zu drücken. Stylish, faszinierend, vom Text her bedrückend und fesselnd (I used to be a little boy, so old in my shoes ... the killer in me is the killer in you ...) lässt mich dieses Video oft an das Alter, an den Tod, an unerwiderte Liebe, Verzweiflung aber auch an die diversen 'Amokläufe' denken. Corgan selbst widersprach eher den Spekulationen, dass es in dem Text um Abtreibung ging, wenn er im Interview sagte: 'I never really had the guts to kill my parents, so I wrote a song about it instead.' Dies bezog sich darauf, dass seine Eltern ihm stets das Gefühl der Minderwertigkeit vermittelten. Das Kind in ihm, nicht sein Kind, musste leider zu früh sterben."

5.Wilson Pickett – I`m In Love. Nominiert von Reinhard Jellen: "So schön also kann - von Bobby Womack geschrieben - das Leben sein."

6. Volker Pispers – Berufsgruppen die diese Welt nicht braucht. Nominiert von Nico Nissen: "Immer wenn ich morgens aufwache und ich fühle mich nicht so richtig, sehe ich mir Volker Pispers an - dann geht es mir wieder schlecht! Er bringt die Missstände in Deutschland auf den Punkt und erinnert humorvoll daran, dass noch viel für uns zu tun ist."

7. Farzin Darabi Far Mystery of Existence. Nominiert von Tom Appleton: "Endlich mal einer, der die klassische persische Musik gut, aber nicht so schrecklich triste spielt. Außerdem hat er eine ganz gute Stimme (offenbar von Shahram Nazeri beeinflusst). Ach so, ja - und die Musik kommt offenbar aus Deutschland."

8. John Scofield Blue Matter. Nominiert von Harald Zaun: "Seit etlichen Dekaden tourt der US-amerikanische Gitarrist John Scofield (57) durch die Jazzgeschichte. Sein Stil ist unverkennbar, seine Experimentierfreudigkeit desgleichen. Ich habe mehrere Konzerte besucht, denen Scofield in der Regel als Headliner bewohnte - keines davon erinnerte an das andere. Der Mann lebt mit der Musik, für die Musik und durch die Musik. Musikgeschichte - zumindest im Genre 'Jazz' - hat John Scofield längst geschrieben."

9. AC/DC – Thunderstruck. Nominiert von Rudolf Maresch: "ACDC, die Altrocker aus 'Down Under', sind zweifellos das Comeback des Jahres. In zwölf Minuten alle Hallenkonzertkarten ausverkauft; 300 000 Freiluftkarten in siebenundsiebzig Minuten ausverkauft; und mit 'Black Ice', ihrer aktuellen Scheibe, in fast dreißig Ländern auf Platz eins der Charts. Vor knapp fünf Jahren durften sie gnadenhalber das Vorprogramm der Stones bestreiten und hatten Mühe den Circus Krone Bau zu füllen. Erklären kann man ihren neuerlichen Erfolg nur schwer. Zumal sie seit fünfunddreißig Jahren dieselben Riffs herunterrocken und ein Song fast wie der andere klingt. Aber vielleicht ist es im Zeichen der Finanzkrise ja gerade der Wunsch nach dem Einfachen, das die Leute anzieht. Man hat das Komplexe und Komplizierte satt, kann dabei zum Dosenbier greifen und wieder mal richtig die Sau rauslassen. Der Song nimmt lange Anlauf, er rollt heran, um sich dann in seiner gesamten Wucht und geballten Energie vor dem Publikum zu entladen. Das ist Rock'n'Roll as we like it."

10. Arnold Schönberg – Serenade op. 24. Nominiert von Peter Mühlbauer: "Auf Empfehlung von Václav Klaus."