Tod mit gefährlichen Folgen

Iran: Trauerfeiern anläßlich des Todes von Großayatollah Montazeri könnten eskalieren

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Am Sonntag hat für die Shiiten der Monat Muharrram begonnen. Die Trauerprozessionen und Passionsrituale, die Aschura-Riten, mit denen die Schiiten den Tod von Hussein, dem Enkel des Propheten, begehen, können zusammen mit einer politischen Stimmung für eine spannungsgeladene Atmosphäre sorgen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Muharram-Feierlichkeiten im irakischen Kerbela zu Frühzeiten der amerikanischen Besatzung (siehe Die Massenhysterie der Schiiten in Kerbela).

Die existierenden Spannungen zwischen der iranischen Regierung und der Opposition dürften durch die Feiern nicht abgebaut werden; dieses Jahr weniger als sonst, denn am Wochenende ist Großayatollah Ali Montazeri gestorben. Der hochbetagte Montazeri, der mit 87 Jahren gestorben ist, galt zusammen mit dem irakischen Großayatollah Ali Sistrani als größter schiitischer Gelehrter der Gegenwart. Sein Name ist auch nicht-religiösen Personen außerhalb des Nahen Ostens bekannt, da er sich in den letzten Monaten mehr und mehr als Stimme für die iranische Opposition deutlich gemacht hat. Wo immer Montazeri in Medien erwähnt wurde, hieß es, dass der Mann einmal als Nachfolger des Revolutionsayatollahs Khomeini auserkoren war und dass er jetzt als Kritiker Khameneis für die "grüne Opposition" eintritt - bis hin zu einer Fatwa gegen Khamenei. Zuletzt, vor einer Woche, hatte Montezeri die Regierung kritisiert, weil sie mit dem Bild Khomeinis ein politisches Spiel treibe und ihn damit "diffamiere". Dem vorausgegangenen waren Bilder von Studenten, die im Fernsehen dabei gezeigt wurden, wie sie Khomeini-Bilder verbrannt oder zerissen hatten.

Montazeri wurde zum Mann der Protestbewegung in der heiligen Stadt Ghom. Tausende Anhänger sollen jetzt dort hinströmen, berichten Medien hierzulande. Laut der Schweizer Zeitung NZZ sind es Hunderttausende, die sich zur Beerdigung versammelt haben, "regierungsnahe Milizen" sollen versuchen, "Unruhe in den Trauerzug zu bringen". Die Angaben beruhen allerdings auf Äußerungen oppositioneller Webseiten. Vertreter ausländischer Medien sind nicht zugelassen.

In den großen iranischen Medien ist die Berichterstattung über Montazeris Tod ziemlich zurückhaltend. Dass sich die innerpolitischen Konfrontationen im Zuge des Todes von Montazeri außerordentlich verschärfen können, gilt als nicht ausgeschlossen. Dazu kommt, dass sich die Regierung mit Vorwürfen auseinandersetzen muss, wonach auch Militär-Staatsanwälte mittlerweile Beweise dafür vorliegen, dass Oppositionelle in Gefängnissen zu Tode gefoltert wurden.