Türkischer Regierungschef verspricht nach Wahlsieg Partnervermittlung

AKP will für Reproduktion sorgen, ein Gericht in Istanbuk verurteilte 244 Personen wegen der Gezi-Proteste, u.a. wegen Beschmutzung einer Moschee als Ärzte

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Die türkische Regierung scheint am Wahlsieg zu zweifeln. Viel anders kann man wohl das Wahlversprechen des Regierungschefs und AKP-Vorsitzenden Ahmet Davutoğlu nicht verstehen, dass seine Partei bei einem Wahlsieg den Menschen helfen will, durch eine Partnervermittlung einen Ehepartner zu erhalten.

Gestern rief er auf einer Wahlveranstaltung dazu auf, dass die AKP Jungunternehmern – nur Männern? - mit Steuernachlässen und Finanzhilfen für ihre Projekte helfen werde, aber sie sich doch an die Regierung wenden sollten, wenn sie dann noch Probleme hätten, einen Ehepartner zu finden. Allerdings scheinen schon ein paar Voraussetzungen und Erwartungen damit verbunden zu sein:

"Wenn du einen Job, ein Gehalt und Essen hat. Was fehlt? Ein Ehepartner. Wir wollen, dass sich die Menschen dieses Landes reproduzieren. Wenn du sagst, du brauchst einen Ehepartner, dann wende dich an die Eltern. Hoffentlich können Sie einen geeigneten Ehepartner finden. Wenn nicht, kannst du dich an uns wenden …. Wir werden sicherstellen, dass du einen Job, ein Haus und einen Ehepartner hast."

Protest gab es vom CHP-Abgeordneten Eren Erdem. Er richtete eine ironische parlamentarische Anfrage an den Regierungschef und fragte, ob die AKP denn auch im Fernsehen Partnervermittlungsshows machen oder ein "Ministerium der Herzen" einrichten wolle, um eine "Nullproblem-Politik" zwischen Ehepartnern auszuführen.

Antwort gibt es noch keine, aber Davutoğlu scheint im Wahlkampf ein wenig aus dem Tritt zu kommen. So versprach er, wie Zaman berichtet, ein Krankenhaus innerhalb von 3 Monaten zu eröffnen, obgleich Erdogan bereits vor der Juni-Wahl an der Eröffnungszeremonie teilgenommen hatte.

Heute wurden als Kontrast 244 von 255 wegen der Gezi-Proteste Angeklagte zu Gefängnisstrafen bis zu 14,5 Monaten verurteilt, u.a. wegen der "Beschmutzung einer Moschee", der Teilnahme an illegalen Demonstrationen, der Störung von öffentlichen Diensten und der Zerstörung öffentlichen Eigentums. Die Staatsanwaltschaft hatte zwischen einem und elf Jahren gefordert.

Vier der Angeklagten, alle Ärzte, wurden zu 10 Monaten Gefängnis wegen der Beschmutzung einer Moschee verurteilt, zwei Angeklagt zu 2 Jahren und 2 Monate, weil die Ärztekittel trugen. Die Ärzte hatten in der Moschee eine Notversorgung verletzter Demonstranten geleitet. Erdogan hatte behauptet, die Demonstranten hätten nach der Flucht vor der Polizei in der Moschee Alkohol getrunken, obgleich der Geistliche der Moschee dies bestritt und dies auch zwei befragte Sicherheitsangestellte der Moschee vor dem Gericht bestätigten.