Twitter zeigt zukünftig Zensurmeldungen

Löschungen aufgrund von Immaterialgüterrechtsansprüchen werden bei Chilling Effects dokumentiert

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Der 1998 verabschiedete Digital Millenium Copyright Act (DMCA) gab der US-Rechteinhaberindustrie ein neues Zensurinstrument in die Hand: die so genannte Takedown Notice. Dabei handelt es sich um eine Art Abmahnung – allerdings ohne die weltweit einmalige Kostenbürde, mit der solche formellen Anspruchsgeltendmachungen in Deutschland versehen sind. Trotzdem werden Takedown Notices gerne und oft eingesetzt – auch zum Löschen von Tweets mit angeblich immaterialgüterrechtsverletzendem Inhalt.

In der Vergangenheit löschte der Kurznachrichtendienst Twitter solche Inhalte kommentarlos, wenn eine Takedown Notice einging. Nun zensiert das Unternehmen sichtbarer: Wird eine Nachricht aufgrund einer DMCA-Abmahnung gelöscht, dann führt der Link dazu nicht mehr einfach ins Leere, sondern wird durch einen Hinweis ersetzt, dass man an dieser Stelle einen Tweet des Nutzers XY aufgrund einer Takedown Notice gelöscht hat.

In einem Link dazu kann sich der Leser weitere Informationen zum Umgang des Kurznachrichtendienstes mit Immaterialgüterrechtsansprüchen und zum DMCA holen. Außerdem geht nun bei jeder Herausnahme eine Mail an die Organisation Chilling Effects, die Zensur im Internet dokumentiert. Dort lässt sich dann mit etwas Suchaufwand nachverfolgen, wer welchen Tweet konkret löschen ließ und welche genauen Gründe er dafür geltend machte.

Zensuransprüchen außerhalb des US-Immaterialgüterrechts kann Twitter unter anderem mit landesspezifischen Ausblendungen begegnen, die sich relativ leicht umgehen lassen, wenn Nutzer ihre Standortangabe ändern. Auf diese Weise können auch Bürger, die mit der Zensur in ihrem Herkunftsland unzufrieden sind, eine "virtuelle Heimat" wählen, die genehmere Empfindlichkeiten pflegt.

Bislang ging das Unternehmen mit solchen Sperren recht sparsam um. Manchen Politikern in Ländern mit einer schärferen Zensurtradition ist dies zu wenig. So forderte etwa das Berliner Piratenpartei-Mitglied Stephan Urbach unlängst in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung, dass der Kurznachrichtendienst alles löschen solle, was ihm nicht kultursensibel genug erscheint.