Überfahren statt Einschläfern - vom Unwissen und seinen Folgen

Außer Kontrolle

Weil eine Katze ihrer Meinung nach zu schwer verletzt war, haben norwegische Polizisten die Euthanasie selbst in die Hand genommen und fuhren dreimal mit dem Auto über die Katze. Bei Tieren wird die "Erlösung" von vielen schnell in Erwägung gezogen

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Schnell erlösen?

Die Szene ist aus vielen Filmen bekannt: ein verletztes Tier wird aufgefunden und die Finder beschließen, dass es zu stark verletzt ist, um weiterzuleben. In amerikanischen Filmen findet sich dann stets ein Schütze, der den "erlösenden Schuss" abgibt. Doch solche Szenen passieren natürlich auch im realen Leben. Wer Haustiere hat, der kennt wohl die milden Gaben, die z.B. eine Katze, die sich ihrer Jagdqualitäten rühmt, mal vor das Bett oder auf den Tisch bringt, oft sind die Opfer des Jagdtriebes mehr tot als lebendig und es ist dann am Tier"halter", dem Opfer des Jagdtriebes das Leiden zu verkürzen.

Bei den Haustieren selbst, bei denen zwischen dem Besitzer und dem Tier ja oft eine starke Bindung entsteht, sieht die Lage anders aus. Zum einen will kein Besitzer, dass Fremde darüber entscheiden, ob nun das eigene Tier leben darf oder nicht, zum anderen ist für jemanden, der sich mit dem Thema nicht befasst, gar nicht klar, dass es gerade auch behinderte Haustiere gibt, die trotz der Behinderung ihr Leben genießen können. Während es klar ist, dass ein behinderter Mensch nicht automatisch leidet, sind viele Menschen der Ansicht, dies sei bei behinderten Tieren anders.

Die beiden norwegischen Polizisten, die die von einem Auto angefahrene Katze Daniela fanden, haben es nach ihrer eigenen Aussage denn auch gut gemeint. "Es hätte die Leiden der Katze nur verlängert, einen Tierarzt herbeizurufen oder das Tier in einen Sack zu stecken, um sie zum Tierarzt zu fahren" erklärten sie auf Facebook. Diese Ansicht zeugt eben von jener Ignoranz gegenüber behinderten Tieren, basierend oft auf dem Gedanken, dass ein Tier ja schnell ersetzt werden kann.

Prothesen und Gehwägelchen

(Vorab: die zwei folgenden Links führen zu Bildern, die nicht unbedingt nett anzusehen sind, dezent gesagt. Ich schreibe dies vorweg, damit niemand versehentlich draufklickt und dann sagt "Na, das hätte nun wirklich nicht sein müssen etc." Die Bilder illustrieren, in welcher Verfassung manche Tiere von Tierschützern aufgefunden werden, und in den Threads ist nachzulesen, wie sie behandelt werden bzw. sie sich entwickeln. Ich halte daher die Bilder für wichtig in diesem Zusammenhang, doch für das Verständnis des Artikels müssen sie nicht angesehen werden, daher die Warnung.)

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Es gibt eine Vielzahl von Gründen für eine Behinderung eines Tieres. Neben den von Geburt an vorhandenen Behinderungen sind etliche Tiere durch Unfälle, mangelnde ärztliche Versorgung oder schlichtweg als Folge von Misshandlungen behindert. Gerade auch diejenigen, die im Auslandstierschutz tätig sind, werden oft mit den Folgen von Misshandlungen konfrontiert. Nur ein Beispiel hierfür ist die Esperanza getaufte Hündin, die geteert in einen Kanal gestoßen wurde.

Gerade auch, wie im Fall der Katze Daniela, werden schwerwiegende Verletzungen von vielen als eine automatische Begründung für ein Einschläfern gesehen, da es wenig Aufklärung darüber gibt, wie viel nicht nur die Chirurgie bereits in Bezug auf Haustiere leisten kann, sondern dass auch die Möglichkeiten, einem behinderten Tier möglichst viel Lebensqualität zu ermöglichen, vielfältig sind.

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Gerade bei Verletzungen der Wirbelsäule, die oft in lebenslangen Lähmungen resultieren, gibt es eine Vielzahl von orthopädischen Hilfsmitteln, die es dem Tier z.B. ermöglichen, sich fortzubewegen.Der Orthopädietechniker Dieter Pfaff beispielsweise bietet nicht nur Prothesen, sondern auch "Rollstühle" und ähnliches für Tiere an.So konnte die Somalikatze Afishetu, die sich in einem Katzennetz verfangen hatte, was zu einem Absterben der Pfoten führte, mit Prothesen ausgestattet werden und sich daher wieder wie normale Katze fortbewegen.Auch der Dackel Kroko kann dank seines "Krokomobils" wieder selbständig "herumrollen".

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Bei etlichen Tieren ist nicht einmal ein orthopädisches Hilfsmittel notwendig - dreibeinige Tiere kommen, genauso wie auch blinde oder taube (...) Tiere, mit ihrer Behinderung oft problemlos zurecht. Insofern wäre es erfreulich, wenn sich die Ansicht, dass ein behindertes Tier automatisch "leidet" und daher "eingeschläfert" werden muss, verändert. Dies würde auch dazu führen, dass solche Vorkommnisse wie in Norwegen nicht mehr stattfinden.

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