Und die Verlierer sind: Die Ärmsten der Ärmsten der Ärmsten (Sir)

Außer Kontrolle

Gerade an jenen, die schon benachteiligt sind, wird beim HartzIV-Poker weiter gespart

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"Dann sollen sie sich halt einen Job suchen", heißt es ja oft, wenn ALG II-Empfänger sich über die Zustände in den ArGen, in der Politik oder über die ALG II-Regelungen im allgemeinen beschweren. Lösungen wie: "Nur ein paar Monate fördern, danach sollen sie sehen, wo sie bleiben und eben arbeiten", erfreuen sich in Foren etc. äußerster Beliebtheit. Aber was, wenn dies gar nicht möglich ist?

Einmal abgesehen von der mittlerweile schon hinlänglich bekannten Sichtweise, dass es nicht für jeden eine Arbeit geben kann, die ihm auch ansatzweise ein Auskommen garantiert, gibt es auch ALG II-Empfänger, die sowieso in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt sind, für die es kaum Arbeit gibt und die letztendlich auch immer öfter mit den Kosten für ihre Beeinträchtigung allein gelassen werden.

Ob der ALG II-Empfänger eine neue kostspielige Brille benötigt oder orthopädische Schuhe, ob Eltern einen Mehrbedarf für ein schwerbehindertes Kind einfordern... immer öfter zeigt sich, dass die Be- oder besser Gehinderten bei den Sozial"einsparungen" die Verlierer sind. Dies zeigt sich jetzt auch an den geplanten Änderungen bei ALG II.

So sollen behinderte ALG II-Empfänger, die z.B. mit ihren Eltern zusammenwohnen, demnächst nicht etwa 359 Euro oder gar 364 Euro erhalten; ihre Leistungen sollen sich auf 291 Euro reduzieren. Der Grund hierfür ist die Annahme, dass Behinderte, die im Haushalt der Eltern leben, nicht zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beitragen, insofern also geringere Ausgaben haben. Dass Eltern zum Teil erhebliche Ausgaben wegen der Behinderung des Haushaltsmitgliedes haben, dass sie die Betreuung (hier sollte man doch eigentlich eher fördernd einschreiten) des Behinderten selbst übernehmen, statt anderen zu überlassen, bleibt außen vor. Es wird stattdessen einmal öfter auf Mutmaßungen gesetzt, denn für die vorgenannte Annahme gibt es bisher keinerlei Belege. Einmal öfter geht der Gesetzgeber einfach mal von Zahlen oder von Ideen aus, ohne diese zu belegen.

Verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft lebende Behinderte sollen von den neuen Regelungen nicht betroffen sein, wer aber bei den Eltern wohnen bleibt, der hat schlichtweg die Verliererkarte gezogen und erhält 20% weniger vom Regelsatz. Gleiches gilt für Behinderte in Wohngemeinschaften, denn die Regelung soll gelten für erwachsene Leistungsberechtigte, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben.

Auch diejenigen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, können sich, wenn die Vorschläge umgesetzt werden, auf weniger Geld einstellen. Sofern ihr Verdienst unter 299 Euro liegt, sollen die 26 Euro, die sie bisher als Förderung erhalten, nunmehr angerechnet werden. Und auch die Blindenhilfe sowie die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten sind, sollte es zu den neuen Regelungen kommen, von Kürzungen betroffen.