Und hinter dem Horizont geht der Tesla auf

Neben der Spur

Offenbar muss man sich heutzutage schon ins Weltall fantasieren, wenn man ein ernstzunehmender Visionär sein will

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeff Bezos will das schon lange für Amazon. Eine Mondstation bauen. Der Mond sei ja wie für ihn gebaut, und lassen wir das mal zur Seite, dass diese Aussage nicht gerade durch Bescheidenheit glänzt, schließlich existieren ganze Planeten ja nur mir zu Liebe, schon klar.

Also, der Mond sei ideal und quasi wie für eine Amazon-Fabrik gemacht. Da gebe es Wasser unter der Oberfläche. Und Steine, um Gebäude zu bauen, und schließlich könnte man leicht ganze Solarzellenfelder mit sehr guter Ausbeute auf dem Erdtrabanten installieren. Nicht erwähnt: dieses blöde Ding mit der Schwerkraft, das jeden Gang zur Kantine in eine Hüpfarie verändert. Und da war noch die Sache mit den etwas heftigen Temperaturschwankungen zwischen Schatten und Sonne. Ach ja, das mit dem Sauerstoff ist ja auch so ein Thema. Aber wollen wir nicht kleinlich sein.

Der Mond schreit geradezu nach einer Amazon-Fabrik.

Jetzt gehen wir einmal nicht davon aus, dass Herr Bezos dort oben Verpackungen für seine Amazonpakete produzieren lassen will. Und selbst eine Fertigungsstraße für Alexa macht nicht wirklich Sinn. Zum einen könnte es rein von der Ansprache her für die Dinger wirklich einsam werden, denn in einer lunaren Fabrik würden wohl eher Maschinen herumstehen und Roboter an den Fließbändern werkeln. Zum anderen ist der Lieferweg des fertigen Produkts wohl auch ein wenig zu weit. Da wäre es immer noch billiger, Lautsprecher in einem Schweizer Seitental zu produzieren und sie dann bei Wind und Wetter mit Helikoptern auszufliegen.

Nein, vermutlich geht es um Server, die dort oben stehen könnten und bei geschickter Anbindung an das irdische Internet einfach und sauerstofflos die Erde mit Cloud Computing zuballern könnten. AWS ohne Ende und zu einem konkurrenzfähigen Marktpreis am Netz.

Richard Branson von Virgin will nun ja auch schon in ein paar Monaten zu seinem ersten Spacetrip starten und trainiere angeblich schon dafür. Das wäre dann ein kleiner Schritt für ihn hinein in das erste Virgin Shuttle, aber ein großer Schritt für den Aufbau einer neuen Touristiksparte für alle diejenigen, denen 14 Tage in einem Edelressort nicht mehr ausreichen und Elefantenschießen in Afrika keinen Kick mehr gibt: Reisen ins All, gegen entsprechendes Entgelt natürlich. Vermutlich stehen Jeff Bezos und Richard Branson längst in Gesprächen miteinander, ob man dann eine Rundreise mit Besichtigung der AWS Server auf dem Mond ins Program heben könnte. Vermutlich so:

"Tag 3, Hin- und Rückfahrt zum Mond, Besichtigung einer modernen Produktionsstätte auf der erdzugewandten Seite und Fototermin vor der einizgen noch intakten Fahne der Apollo-Mission. Schlemmermenu an Bord und Gelegenheit zum Besuch einer interessanten Verkaufspräsentation formschöner Spacedecken aus Schafshaargewebe."

Egal, was die beiden planen, Elon Musk hat schon vorher das Revier mit seinem erdumkreisenden Tesla abgepinkelt und vor Monaten einen seiner Stromer ins All geschickt, damit er in alle Ewigkeiten um den Äquator sause oder dann irgendwann über dem Pazifik verglühe. Aber nicht nur das, eigentlich hat er mit ein wenig mehr Weltraumschrott nur sehr klar gesagt, warum die Herren sich zum Weltraumvisionär wandeln:

Um noch mehr vom eigenen Schrott herzustellen, dort zu lagern und zu verticken. Der Weltraum ist eine riesige Produktions- und Lagerstätte. Der hässliche Vorhof der Erde, auf dem man wie in einem Industrieviertel Sachen lagern und verrotten lassen kann.

Die Vision von der Eroberung des Weltalls ging doch einmal anders, oder?