Unsicherheit, Panik, Gold und alte Socken

Medien und Finanzkrise: Wie sicher sind Informationen?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Für Laien ist das kaum zu durchschauen. Wohin mit dem Geld, wo ist es noch sicher?, fragen sich teuer gekleidete Mütter vor dem Kindergarten in einem Münchner Villenvorort und eine berichtet vom Anruf bei dem Berater einer berühmten Privatbank, der sie beruhigen hätte sollen, aber stattdessen von Panik sprach und von Kunden, die sich Gold lastwagenweise nachhause liefern lassen.

Eine "zum Spaß" durchgeführte nächtliche Schnellrecherche zur Stabilität der eigenen Bank führt zum Hartgeld-Forum, das ebenfalls dringend zu Gold rät - zumindest als es noch welches gab, also vor den Lastwagenbestellungen -, und zum dringenden Abzug der Ersparnisse von dem Kreditinstitut, dessen "Exit" kurz bevorstehe. Zum Glück ist Expertise des Hartgeldfachmanns schon ziemlich alt und die Bank hat die Prophezeiung überlebt.

Wie aus einem Bericht der LeMonde von heute hervorgeht, sollen sich viele Bankkunden in Frankreich verunsichert zeigen, nachdem die Zeitschrift Canard enchaîne (eigentlich bekannt als Satirezeitschrift, die aber immer wieder auch verstörende Artikel ohne beabsichtigte Satire im Angebot hat) Anfang Oktober in einem Bericht größere Zweifel an der finanziellen Solidität der "Sparkassen" in Frankreich gemeldet hatte.

Die Caisse d'épargne soll nach Recherchen des Canard auf der verzweifelten Suche nach 6,5 Milliarden Euros sein. Staatssekretär Laurent Wauquiez bezeichnete die Meldung des Canard als "völlig destruktiv" und versprach ein Eingreifen des Staates im Falle des Falles, um die Gemüter zu beruhigen. Sprecher der Banken dementierten die "Gerüchte".

Es gebe keine Panik, so zitiert Le Monde heute Angestellte von Banken, aber eine auffällige Unruhe unter den Kunden - und, so zeigt sich, auch einen konkreten Zusammenhang zwischen Medien und misstrauischem Verhalten der Kunden: So hätten in der Region Toulouse vor allem jene Kunden ihre Guthaben abgehoben, die laut Angestellter den Fernsehsender TF1 anschauen würden. Zum anderen würden sich diejenigen, die ihr Geld abheben, vor dem Bankschalter dadurch auszeichnen, dass sie die "geringste Kultur in Finanzfragen" hätten. Und wenn sie sich in den Augen der Bankangestellten als "Philosophen ihrer Anlagen" präsentieren, dann würde sich im Gegenzug allerdings auch zeigen, dass gerade sie am meisten über die Solidität des Systems beunruhigt seien.

Was Gerücht ist, Spekulation oder valide Information wird schwieriger zu unterscheiden. Das Misstrauen gegenüber Informationen wächst stetig und das Misstrauen sitzt im Kern des Problems, in der Abwärtsspirale eines Geschäfts, das vom Kredit lebt. Wie sollen sich Medien verhalten, wenn sie wissen, dass ihre Nachrichten bzw. Kommentare unter Umständen jene Panik befördern können, dass sie zu einer Art self-fulfilling prophecy werden könnten? Mal vorausgesetzt, dass sie sich als von Banken unabhängige Organe begreifen.

Wie schwierig hier der Umgang mit Aussagen von Experten wird, welche die Sitution der Banken um einiges kritischer beurteilen als der Mainstream der Berichterstattung, zeigt die Sperrung eines Blogeintrages durch das Handelsblatt, auf die der Blogger Don Alphonso, der zur Finanzkrise immer wieder lesenswerte und erhellende Beiträge veröffentlicht, aufmerksam macht.

Zwar halte er Distanz zu kursierenden Aussagen wonach, "die bösen Medien [..] mit den Banken im Geschäft [wären] und [..] alles gezielt unterdrücken [würden], was in diese Richtung geht, um keine Panik aufkommen zu lassen" und zudem habe er "eine sehr hohe Meinung vom Handelsblatt als Wirtschaftszeitung", aber was das Verschwinden eines kritischen Beitrags von Handelsblatt-Blogger Harald Uhlig angehe, so sei dies bedauerlicherweise eine "miese Nummer".

Uhlig hatte in dem gelöschten Beitrag, der in wesentlichen Teilen hier nachzulesen ist, die Sicherheit der Bankeinlagen in Deutschland deutlicher in Frage gestellt als üblich.

Der Financial-Times-Experte Willem H. Buiter von der London School of Economics and Political Science enthüllte übrigens, wie Don Alphonso in einem Kommentar erwähnt, dass er seine ihm gebliebenen Ersparnisse "in einem (kleinen) alten Socken an einem geheimgehaltenen Ort aufbewahrt". Satire und Wirklichkeit sind nicht nur in Frankreich und Grünwald eng miteinander verwoben.