Urheberrecht und Europäische Integration

Bereits zum Jahresende soll die "Europeana" eröffnet werden: Eine Online-Bibliothek aller europäischen Kulturschätze

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Der Weg ist noch weit: Erst ca. ein Prozent der gut 2,5 Millionen Bücher in Europas Bibliotheken liegt bereits in digitaler Form vor. Bei Bildern oder anderen Kunstgegenständen sieht die Quote noch deutlich schlechter aus. Trotzdem ist EU-Kommissarin Viviane Reding optimistisch, wie pressetext mitteilt: "Ich möchte erreichen, dass die Europeana-Bibliothek mit vielfältigen Inhalten noch vor Jahresende eröffnet wird." Europeana soll "die kulturelle Vielfalt Europas in Büchern, Musik, Bildern, Fotos und Filmen für alle Bürger über ein einziges Online-Portal per Mausklick zugänglich machen."

Um dieses "Jahrhundertprojekt" auf den Weg zu bringen, hat die EU bereits dringend benötigte Finanzspritzen von rund 120 Millionen Euro in Aussicht gestellt - doch reichen wird das keineswegs: Die Digitalisierung der Bücher allein schätzt die Union auf fast den doppelten Betrag, Kunstgegenstände und Gemälde sind in der Kalkulation noch gar nicht enthalten. Außerdem krankt das Projekt derzeit noch an der sehr unterschiedlichen Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, ihre Kulturschätze - die ja gleichzeitig auch Touristenattraktionen und damit wichtige Ressourcen der staatlichen Wirtschaft sind - ins Netz zu tragen.

Als ein weiteres Hemmnis könnte sich das Urheberrecht erweisen: Während das Ausstellungsrecht gerade älterer Kunstgegenstände in den meisten Fällen bei den ohnehin mit der Digitalisierung betrauten Museen liegt, sieht die Sachlage bei Büchern und Videos anders aus. Die meisten Rechteinhaber dürften wohl wenig Interesse daran haben, ihre Produkte in der Europeana frei zugänglich zu sehen. Ein Ausweg führt wahrscheinlich über eine strikte Zugangskontrolle der Online-Bibliothek, eventuell sogar zu virtuellen "Eintrittsgeldern" oder einem "Content-on-Demand"-Modell. Das Urheberrecht könnte sich hier als entscheidendes Hemmnis kultureller europäischer Integration erweisen.