VWs Abgasbetrug: Notanker China?

Die Volksrepublik macht vor, wie man wirksam gegen Dieselabgase vorgeht

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Für Leute, die sich ein wenig mit der deutschen Automobilindustrie auskennen, kommen die Betrügereien bei VW nicht gerade überraschend, bemerkenswert sind sie dennoch allemal. Und nun, da die spezielle Mentalität der VW-Macher für alle offen zu Tage liegt, ist der ökonomische Schaden für den Konzern ist immens.

In Erwartung der Milliarden-Forderungen in den USA ging die Aktie in die Knie: Im März hatte sie nach einem Höhenflug etwas über 250 Zähler erreicht, die kurz vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals auf 170 zusammengeschmolzen waren. Alle Kursgewinne seit Herbst letzten Jahres waren bereits im Rahmen der allgemeinen DAX-Schwäche perdu. Danach ging es aber so richtig in den Keller. Innerhalb von zwei Wochen verlor das Papier weitere gut 40 Prozent und rangiert derzeit knapp unterhalb von 100 Euro pro Aktie.

VW hat derweil sogar noch ein wenig Glück im Unglück. Während in Europa und den beiden Amerikas das Image angekratzt ist, gibt es auf dem weltweit größten PKW-Markt, in China, wo die Wolfsburger sich frühzeitig umfangreich engagiert haben, bisher keine Probleme. Jedenfalls keine zusätzlichen, die mit Abgasbetrug zusammenhängen würden. Eine andere Geschichte ist freilich, dass in China die PKW-Begeisterung des neuen Mittelstandes nachzulassen scheint.

In der Volksrepublik ist der deutsche Automobilbauer derweil Musterknabe wider Willen. Dort kommen nämlich so gut wie keine neuen Diesel-PKW mehr auf die Straße. Offensichtlich haben in China – anders als hierzulande – einige Verantwortliche frühzeitig begriffen, dass das beste Mittel gegen Feinstaubbelastung aus Dieselabgasen ist, diesen Kraftstoff für PKW gar nicht erst zuzulassen. In Deutschland hatten hingegen 2014 nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes gut 47 Prozent aller neu zugelassenen PKW einen Dieselantrieb.

Laut Asia Times Online traf dies auf nur 0,4 Prozent der von den 19,78 Millionen im letzten Jahr in der Volksrepublik verkauften PKW zu. Erreicht wurde dies durch einen Mix von Maßnahmen. In einigen Städten wie Beijing (Peking) werden neue Diesel-PKW nicht zugelassen. Anderswo wirken vor allem finanzielle Anreize, die den Kauf emissionsarme Fahrzeuge steigern. VW hat deshalb seine chinesische Diesel-PKW-Produktion längst eingestellt.

Das heißt allerdings nicht, dass die Volksrepublik kein Dieselproblem hätte. Die meisten Busse und LKW nutzen den Kraftstoff, der gegenüber Benzin unter anderem den Vorteil einer höheren Energiedichte hat. Diese Fahrzeuge machen zwar nur 15 Prozent des Kraftzeugbestandes aus, werden aber offensichtlich erheblich stärker ausgelastet.

Entsprechend ist der Dieselverbrauch in China rund 70 Prozent höher als der Benzinverbrauch. Nach Angaben des Beijinger Umweltministeriums, die Asia Times Online zitiert, waren diese Dieselfahrzeuge 2013 für 70 Prozent der im Straßenverkehr erzeugten Stickoxid-Emissionen verantwortlich. Beim Feinstaub betrug der Anteil sogar 90 Prozent.

Ab 2017 werden daher höhere Abgasnormen gelten. Außerdem experimentieren verschiedene Städte bereits mit Elektrobussen und Brennstoffzellen, in denen Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren und dabei lediglich Wasserdampf freisetzen. Die neuen Normen könnten diesen Projekten einen erheblichen Schub geben, unter anderem da die höheren Standards die Dieselfahrzeuge um bis zu 15 Prozent verteuern werden.

Update: Die New York Times hat eine schöne Karrikatur zum Thema VW veröffentlicht.