Verdeckte Ermittler statt V-Männer: Über Umwege zum Fernziel "Ermittler als Straftäter"

Außer Kontrolle

Nachdem das Prinzip der V-Männer/Leute immer stärker in die Kritik gerät, denkt der Verfassungsschutz über verdeckte Ermittler als Ersatz nach. Die Idee ist gefährlich.

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V-Leute, also Verbindungsleute, sind, anders als von vielen gedacht, nicht etwa eingeschleuste Personen der Polizei oder des Verfassungsschutzes, sondern letztendlich in vielen Fällen Kriminelle oder aber zumindest mit kriminellen Machenschaften in Verbindung stehende Personen, die gegen ein gewisses Entgelt Informationen an den Verfassungsschutz oder die Polizei weitergeben. Die V-Person (VP), wie es heutzutage neutral heißt, ist somit die umgekehrte Version des korrupten Polizisten oder Beamten – gegen Geld verrät sie seine Kollegen/Freunde an andere. Sie unterscheidet hierbei, dass der korrupte Beamte/Polizist Informationen an Kriminelle weitergibt, während die VP Informationen über (vermeintlich) Kriminelle weitergibt, das Prinzip ist jedoch gleich.

Das Problem hinter den VP ist leicht zu erkennen: es ist für diejenigen, die die Bezahlung liefern, nur schwer herauszufinden, ob die VP tatsächlich gegen die Gruppe agiert oder aber letztendlich durch die Bezahlung lediglich von der VP-Praxis zugunsten der Gruppe profitieren will, z.B. indem sie nur wenige / wenig aussagekräftige Informationen liefert, die Gelder jedoch für die Gruppe nutzt.

Der bekannte Neonationalsozialist Tino Brandt beispielsweise konnte die vom Verfassungsschutz gezahlten Gelder nutzen, um z.B. die sogenannte "Zwickauer Zelle"/NSU finanziell zu unterstützen. Der NSU wurde insofern vom Verfassungschutz, der dafür sorgen soll, dass solche Vereinigungen nicht existieren bzw. nicht kriminell tätig werden können, indirekt mit Geldern versorgt. Letztendlich sorgt also der Verfassungsschutz mit solchen Zahlungen auch dafür, dass über den Umweg der VP erst die finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die dann ggf. zu den Taten führen, die der Verfassungsschutz aufklären soll und die dann auch Grund für seine Budgetforderungen sind.

Hinzu kommt, dass wie beim gescheiterten Verbotsverfahren gegen die Nationalsozialistische Partei Deutschlands (NPD) zu viele V-Personen, gerade auch in Führungspersonen einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung, dazu führen, dass nicht mehr klar gesagt werden kann, inwiefern der Staat hier erst auf die Willensbildung der Vereinigung Einfluss genommen hat. "Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar", lautete der Kernsatz des Urteils.

Verdeckte Ermittler statt Verbindungspersonen

Nachdem die Kritik am Vorgehen der V-Personen zugenommen hat, denken nun auch die Verfassungsschützer um und überlegen, den Einsatz von V-Personen zu beschränken. So berichtet Spiegel Online davon, dass stattdessen der Einsatz von "verdeckten Ermittlern" mehr in den Vordergrund gerückt werden soll. Doch verdeckte Ermittler sind nicht erst seit dem Fall Simon Brenner umstritten. Das Problem ist, ob sie innerhalb einer Gruppe ernstgenommen werden, die ggf. Straftaten begeht, wenn sie nicht selbst auch daran beteiligt sind? Hier ergibt sich aber dann auch das gleiche Problem wie bei den V-Personen.

Bereits 2010 überlegte der Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, ob es nicht doch sinnvoll wäre, z.B. bei der Bekämpfung von Kinderpornographie im Netz, den Polizisten die Begehung von Straftaten zu erlauben. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, schlug in die gleiche Kerbe "… Die eingeschleusten Ermittler müssten zudem befugt sein, sich zum Schein an szenetypischen Straftaten zu beteiligen, sonst bleibt ihr Einsatz ein stumpfes Schwert", wurde er zitiert. Doch wie wird dann sichergestellt, dass auch ohne die verdeckten Ermittler die Straftaten begangen worden wären, wenn z.B. wie im Fall Mark Kennedy nicht mehr klar ist, ob die Ermittler nicht auch erst als Initiator, als agents provocateurs, fungieren?

Das Problem, das sich durch die V-Personen ergibt, entsteht letztendlich immer auch bei den verdeckten Ermittlern, lediglich die finanziellen Aspekte fallen heraus. Eine Lösung für das Problem der V-Personen ist der Einsatz von verdeckten Ermittler also nicht, vielmehr ist er lediglich das Einfallstor für die Forderungen, wie sie von Rainer Wendt, dem BKA-Chef Jörg Ziercke oder dem Innenminister erhoben wurden oder werden. Als Fernziel gilt die Erlaubnis, wie in den USA auch zu Straftaten animieren, diese initiieren oder zumindest unterstützen zu dürfen. Doch dies wird die Statistiken weiterhin so verfälschen, dass neues Personal unvermeidlich ist – um dann wieder das zu bekämpfen, was letztendlich so erst auch durch die Behörden möglich gemacht wird.