Verzweifelte Regierungsbildung in Spanien

Die Konservativen erhalten Unterstützung der rechtsliberalen Ciudadanos, um ihre Parlamentspräsidentin durchzusetzen

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Es war ein kleiner Etappensieg für den konservativen Mariano Rajoy, dass bei der konstituierenden Sitzung des spanischen Parlaments am Dienstag mit Ana Pastor seine treue Gefolgsfrau Parlamentspräsidentin wurde.

Nach den Neuwahlen im Juni trat das Parlament erstmals zusammen und dann wurde es doch noch einmal spannend. Denn es war nicht mehr ausgemacht, dass Rajoy die Kandidatin seiner Volkspartei (PP) durchsetzen könnte. Das sah ein Pakt mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) vor.

Allerdings haben diese beiden Rechtsparteien auch nach den Neuwahlen im Juni weiter keine Mehrheit, deshalb kam es zu einer Kampfabstimmung. Erst im zweiten Wahlgang genügte der bisherigen Ministerin für Infrastruktur die einfache Mehrheit. Sie wurde aber allein mit den 169 Stimmen der beiden Rechtsparteien gewählt. Der Sozialist Patxi López hatte bis zuletzt Chancen, da die Linkspartei Podemos (Wir können es) in Ablehnung von Pastor statt einer Enthaltung angekündigt hatte, für López zu stimmen. Und hätten die Sozialisten (PSOE) es geschafft, baskische und katalanische Regionalparteien von der Enthaltung abzubringen, wäre López erneut Präsident geworden, der ihm in der kurzen gescheiterten Legislaturperiode nach den Wahlen im vergangenen Dezember vorstand.

Die Ciudadanos zeigten mit ihrem Pakt einen radikalen Schwenk. Im Abkommen mit der PSOE wurde im Januar López gewählt und erfolglos versucht, den PSOE-Kandidat Pedro Sánchez zum Regierungschef zu machen. Die Rechtsliberalen haben nun das nächste Versprechen gebrochen. Zwar ist die rechte PP ihr natürlicher Partner, aus der - wie der Parteichef Albert Rivera – viele Mitglieder kommen. Doch stets hatte Rivera für eine Unterstützung der PP eine Erneuerung der PP gefordert, die von vielen Korruptionsskandalen gebeutelt wird.

Gegen sein Versprechen hatte Rivera schon angekündigt, sich nun enthalten zu wollen, sollte Rajoy nun Anfang August eine Regierungsbildung versuchen. Auch wenn die Ciudadanos auch noch das Versprechen brechen, keinesfalls für Rajoy zu stimmen, fehlen weitere Unterstützer. Um erneut Regierungschef zu werden, braucht der im zweiten Wahlgang mehr Ja- als Nein-Stimmen. Da er vier Jahre auf Konfrontationskurs mit Basken und Katalanen fuhr, winken die ab.

Alles hängt von der PSOE ab. Nur wenn sich wenigstens ein Teil ihrer Parlamentarier enthalten, könnte Rajoy erneut regieren. Doch Sánchez lehnt nicht nur das Angebot einer großen Koalition ab, sondern bleibt bisher beim klaren "Nein" gegen Rajoy. Bleibt es dabei, gibt es nur zwei Varianten. Entweder wird im November ein drittes Mal in nur einem Jahr gewählt, was alle verhindern wollen, wie sie stets erklären.

Deshalb könnte Sánchez nach einem Scheitern von Rajoy dem Werben von Podemos nachgeben, die eine Linksregierung wollen. Die schließt Sánchez definitiv nicht aus. Zweideutig sagte er am Montag sogar mit Blick auf die Katalanen, man müsse die "17 Parlamentarier aus dem Schwebezustand" holen. Sie würden reichen, um Sánchez mit Podemos statt Rajoy zum Ministerpräsidenten zu wählen.

Mit der bedingungslosen Zustimmung für López als Parlamentspräsident bekräftigte Podemos ihren Vorschlag, auch wenn der bisher von Sánchez weitgehend ignoriert wird, der wohl auch keine Anstrengungen unternommen hat, um Basken und Katalanen zu werben. Deren Enthaltung am Dienstag zeigt, dass der Weg für eine mögliche Linksregierung noch nicht geebnet ist oder auch nicht geebnet wird. Das große Hindernis ist, dass sie eine Unabhängigkeitsabstimmung nach dem Vorbild Schottlands wollen, für die auch Podemos eintritt. Das trifft auf Widerstand in der PSOE. Einige Sozialisten, wie die mächtige andalusische Regionalchefin oder der frühere Chef Felipe González, wollen lieber Rajoy, als das zuzulassen und eine Linksregierung zu bekommen.